Die Pflanzenbiotechnologie ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Sie wird eine zunehmende Rolle bei der Bewältigung der globalen Herausforderungen in den Bereichen Ernährung, nachwachsende Rohstoffe, Energie, Gesundheit und Umwelt spielen. Die Pflanzenbiotechnologie umfasst die Entwicklung, Optimierung und Nutzung biotechnologischer Verfahren zur Innovation und Effizienzsteigerung pflanzlicher Produktion. Sie eröffnet auch neue Möglichkeiten einer verbesserten Nachhaltigkeit der Produktion.
Bis weit ins 20. Jahrhundert erfolgte die Pflanzenzüchtung mit Hilfe konventioneller Methoden wie klassische Kreuzungszüchtung und klassische Mutagenese, unterstützt durch einen konventionell integrierten Pflanzenschutz mit kontrolliertem Einsatz von Dünger und Pestiziden. Diese Strategie war lange erfolgreich, gerät aber aufgrund der rasant wachsenden Weltbevölkerung und der damit verbundenen Anforderungen an die Landwirtschaft an ihre Grenzen. Die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen sind begrenzt und die natürlichen Ressourcen (wie z. B. Wasser) knapp, dennoch müssen die Erträge steigen, um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Und das alles in den Zeiten des Klimawandels mit Wetterextremen in vielen Regionen. Um den wachsenden Nahrungsbedarf in 2050 zu decken, wäre ein jährlicher Produktionszuwachs von 2,4 % notwendig, davon sind wir jedoch weit entfernt. Die Wachstumsraten liegen bei Hauptnahrungspflanzen wie Mais, Reis, Weizen und Soja mit 1,6 %, 1,0 %, 0,9 % und 1,3 % weit darunter. Hier kann der Einsatz moderner Züchtungstechniken zu einem schnelleren Erreichen der Züchtungsziele, wie Resistenz gegenüber biotischem und abiotischem Stress und verbesserter Effizienz in der Nutzung von Wachstumsfaktoren beitragen, angefangen von Smart Breeding (Selection with Markers and Advanced Reproductive Technologies) – der Beschleunigung konventioneller Züchtung durch den Einsatz von molekularen Markern zur Detektion von züchtungsrelevanten Eigenschaften – bis hin zu den „New Breeding“-Technologien mit CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats)/Cas9 als populärsten Vertretern, die u. a.punktuelle Veränderungen der DNA (Genome Editing) ermöglichen. Ein weiteres Arbeitsgebiet ist die Entwicklung von Pflanzen als Produktionsquellen pharmazeutisch wertvoller Substanzen.
Das Land Rheinland-Pfalz hat sich früh entschlossen, die Möglichkeiten der modernen Biotechnologie vor allem im Bereich Sonderkulturen (Wein, Obst und Gemüse) zu nutzen und aktiv zu fördern. Daher gründete die Landesregierung bereits 1996 das Centrum Grüne Gentechnik (CGG), damals noch mit dem Auftrag, Betrieben Zugang zu neuen Züchtungsmethoden, in diesem Fall den Gentransfer, zu ermöglichen und gemeinsam deren Nutzung für die betriebseigene Verbesserung von Sorten zu evaluieren. 2004 wurde im Zuge der Agrarverwaltungsreform die RLP AgroScience GmbH gegründet, eine landeseigene gemeinnützige Forschungseinrichtung, in die das CGG als ein Geschäftsbereich, AlPlanta-Institut für Pflanzenforschung, eingegliedert wurde. Der Auftrag blieb ähnlich, Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Pflanzenbiotechnologie zu betreiben und rheinland-pfälzische Betriebe darin zu unterstützen, mit Hilfe moderner biotechnologischer Methoden eine höhere Wertschöpfung zu erreichen. AlPlanta sieht sich als Mittler zwischen grundlagenorientierter Forschung, industrieller Entwicklung und privatwirtschaftlicher Umsetzung, hat Erfahrung mit Anforderungen des Marktes und führt zahlreiche Kooperationen mit Industriepartnern aus dem Life-Science- und dem landwirtschaftlichen Bereich durch.
Das Institut arbeitet in drei Forschungsschwerpunkten – Wirt-Pathogen-Interaktion, Züchtungs-Tools und Genregulation. In den ersten beiden Schwerpunkten geht es vor allem um angewandte Forschungsprojekte, die z. B. in den Bereichen Obst- und Weinbau Impulse aus der Praxis aufnehmen und Managementstrategien für aktuelle garten- und weinbauliche Problemstellungen entwickeln. So wurde z. B. in enger Zusammenarbeit mit Praxis und Beratung für den Komplex „Phytoplasmaerkrankungen in Kern- und Steinobst“ ein umfassendes Management für diese durch bakterienähnliche Mikroorganismen verursachten Obstkrankheiten entwickelt. Dies umfasste die Züchtung von Phytoplasma-tolerantem Material für den Obstbau, das nun in einem bundesweiten Anbauversuch getestet wird und mittelfristig den rheinland-pfälzischen Produzenten zur Verfügung stehen wird, sowie die Identifizierung und Untersuchung der die Pathogene übertragenden Insekten (Psylliden) einschließlich der Erstellung eines Bestimmungschlüssels für diese Insekten, vor allem für Mitarbeiter in der obstbaulichen Beratung. Darüber hinaus werden innovative, umweltschonende Bekämpfungsmethoden untersucht, wie z. B. der Einsatz von bakteriellen und pilzlichen Endosymbioten, die die Phytoplasmen „in Schach“ halten sollen.
Ähnliche Strategien werden für Schaderreger im Weinbau verfolgt. Es handelt sich meist um pilzliche Schaderreger, deren Nachweis und Bekämpfung sich schwierig gestaltet. Hier entstand u. a. in intensiver Zusammenarbeit mit einem mittelständischen Unternehmen die Idee für ein innovatives Pflanzenschutzkonzept, bei dem funktionale Schutzschichten, die ursprünglich für technische Bereiche entwickelt wurden, für den Pflanzenschutz so weiterentwickelt werden, dass resultierende Sperrschichten Pflanzen vor Schädlingen schützen, ohne toxisch zu wirken. Diese Technologie ist vor allem auch für den Weinbau interessant, der innerhalb der EU nur ca. 5 % der kultivierten Fläche beansprucht, worauf aber ca. 70 % aller landwirtschaftlich ausgebrachten Fungizide appliziert werden.
Im Forschungsschwerpunkt Genregulation betreibt AlPlanta vor allem Projekte der Grundlagenforschung, die sich z. B. mit den Mechanismen der Regulation von Genaktivitäten unter biotischem und abiotischem Stress beschäftigen. Grundlagenforschung und angewandte Forschung sind nicht voneinander trennbar. Ohne die Erweiterung der grundsätzlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Entwicklungen kann keine spezialisierte Forschung in wirtschaftsorientiertem Rahmen stattfinden. Erkenntnisse und Ergebnisse der Grundlagenforschung sind eine unabdingbare Voraussetzung für die Leistung angewandter Forschung. Dies zeigt sich auch in diesem Forschungsschwerpunkt: Aus den Ergebnissen dieser Grundlagenforschung haben sich nun Möglichkeiten für den Ersatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln durch „natürliche Agenzien“, in diesem Fall kleine RNA Moleküle, ergeben.
Darüber hinaus ist AlPlanta eingebunden in verschiedene nationale und internationale Gremien sowie Beiräte. Weiterhin ist es an Bachelor- und Masterstudiengängen der Fachhochschulen Bingen und Mannheim beteiligt, sowie mit Vorlesungen und Praktika an den Universitäten Heidelberg und Hohenheim aktiv. Zusammen mit den Universitäten erfolgt auch die Ausbildung von Doktoranden.
Prof. Dr. Gabi Krczal
Die 1959 geborene Autorin studierte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Biologie und Chemie und promovierte an der Universität Heidelberg. Sie leitete von 1988 bis 1998 die Abteilung „Integrierter Pflanzenschutz“ und danach bis 1997 die Abteilung Virologie der Landesanstalt für Pflanzenbau und Pflanzenschutz in Mainz. Von 1997 bis 2004 leitete sie das „Centrum Grüne Gentechnik“ an der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt in Neustadt an der Weinstraße und ist seit 2005 Geschäftsführerin der RLP AgroScience GmbH, ebenfalls in Neustadt an der Weinstraße. 2010 wurde ihr die Ehrenprofessur der Hochschule Mannheim verliehen.