Die deutsche Energiewende ist ein ambitioniertes Projekt,
das zu Innovationen inspiriert, aber auch Widerstände weckt.
Die Landesregierung NRW hat sich ganz bewusst dazu entschieden, hier eine Vorreiterfunktion zu übernehmen, ohne den Industriestandort selbst zu gefährden.
Die Folgen des Klimawandels sind in den Städten und Regionen des Energielandes Nordrhein-Westfalen schon längst spürbar: Extremwetterereignisse wie Hitzewellen und Starkregen haben in den vergangenen Jahren große Schäden verursacht. Auch der Temperaturanstieg mit seinen Auswirkungen auf unsere Gesundheit und Lebensqualität stellt uns vor neue Herausforderungen. Fest steht: Wir müssen handeln, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern.
Gemessen am Anteil der Weltbevölkerung trägt Deutschland überproportional zum globalen CO2-Ausstoß bei: In Nordrhein-Westfalen fallen rund 30 Prozent der deutschlandweiten CO2-Emissionen an. Daher tragen wir eine besondere Verantwortung für die Reduzierung der Treibhausgase und für das Gelingen der nationalen Energiewende. Die Landesregierung hat die Handlungsnotwendigkeit erkannt und das erste Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht. Darin verpflichtet sie sich, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 25 Prozent und bis 2050 um mindestens 80 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 zu reduzieren.
Die nationale Energiewende steht und fällt mit dem Energieland Nummer eins. Wenn NRW bei seinem Anteil von zehn Prozent an regenerativ erzeugter Energie bleibt, kann die Energiewende nicht gelingen und Klimaziele würden nicht erreicht. Die Energiewende made in NRW ist eine besondere Herausforderung und große Chance zugleich. Nordrhein-Westfalen hat bereits Erfahrung in der Weiterentwicklung der Energiewirtschaft und bringt damit die besten Voraussetzungen mit. Bis 2025 sollen mindestens 30 Prozent des Stroms in NRW aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Um diese Ziele zu erreichen, sollen Ressourcenschutz, Energieeinsparung sowie Energie- und Ressourceneffizienz gesteigert werden.
Damit alle Rädchen des gesamten Energiesystems ineinander greifen können, brauchen wir integrative Konzepte, ein intelligentes Management auf der Erzeugungs- und auf der Nachfrageseite als auch einen Ausbau von Netzen und Speichern. Dabei ist der Ausbau auf der überregionalen Übertragungsnetzebene nur ein Teilaspekt. In Zukunft werden Wind- und Sonnenenergie die Hauptkomponenten der Energieerzeugung sein. Zum Ausgleich der schwankenden Verfügbarkeit erneuerbarer Energien müssen umfassende Flexibilitätsoptionen geschaffen werden, die während der sogenannten „dunklen Flaute“ die Versorgung sicherstellen. Neben dem Ausbau müssen im gleichen Umfang Maßnahmen zur Energieeffizienz und Energieeinsparung realisiert werden. Synergieeffekte durch die Kopplung der Märkte Strom, Wärme/Kälte und Verkehr müssen wir konsequent nutzen. Wir brauchen zudem ein neues Energie- und Strommarktdesign, bei dem die erneuerbaren Energien im Mittelpunkt stehen.
Klimaschutz als industrieller Wachstumsmotor. Energiewende und Klimaschutz müssen wir als industriepolitische Chance für ökologisches und innovatives Wachstum begreifen. Gerade NRW bietet mit seiner starken Industrie gute Voraussetzungen, um Klimaschutz-Technologien und Verfahren zu entwickeln, mit denen weltweit Marktanteile gewonnen werden.
Hier stehen die besten, innovativsten Unternehmen in allen klimarelevanten Bereichen, beispielsweise in der Kraftwerkstechnik, im Maschinenbau, in der Chemie, in der Logistik oder in der Kommunikationstechnologie.
NRW ist Industrieland Nummer eins in Deutschland und das wird auch so bleiben. Klimaschonende Energieversorgung und Mobilität, nachhaltige Ressourcennutzung und Begrenzung von Umweltbelastungen erfordern ebenso wie die Energiewende und die nachhaltige Umgestaltung des Industriestandortes innovative Technologien und Dienstleistungen der Wirtschaft. Hierzu ein konkretes Beispiel: In der Stahlindustrie haben die europäischen Hochöfen dank der technologischen Weiterentwicklung der Herstellungs- und Verarbeitungsprozesse in den vergangenen Jahren im weltweiten Vergleich eine Führungsrolle übernommen. Der fossile Primärenergieverbrauch konnte in den vergangenen 15 Jahren um 20 Prozent gesenkt werden. Bis zum Jahr 2020 soll eine Einsparung um 36 Prozent erreicht werden. Dadurch konnten die rohstoff- und energiebedingten CO2-Emissionen von 1990 bis 2006 bereits um 15,9 Prozent gesenkt werden. Die Industrie insgesamt leistet mit energieeffizienten Verfahren und Produkten erhebliche Beiträge für den Klimaschutz und hat verstanden, dass die Energiewende eine wirtschaftliche Chance für den Standort Nordrhein-Westfalen bietet.
Planungs- und Investitionssicherheit für erneuerbare Energien. Ein wesentliches Ziel der Landesregierung ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir stellen uns aktiv auf steigende Energie- und Ressourceneffizienz und die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen um. Aber auch Bund und EU müssen hier die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Kontroverse Debatten führen nur zu Verunsicherung und Stillstand in der Investitionsbereitschaft beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Insbesondere Sonne und Wind sind kostengünstige Energieträger und drücken die Preise an der Strombörse nach unten. Allerdings werden die Preise nicht an die Verbraucher weitergegeben. Damit Energie bezahlbar bleibt und dringend benötigte hocheffiziente und flexible Gaskraftwerke wirtschaftlich betrieben werden können, muss sich das Preisgefüge an den Strombörsen ändern und realistischer darstellen.
Die niedrigen Kosten der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien müssen an die Verbraucher weitergegeben werden.
Das europäische Emissionshandelssystem ist ein wichtiges Instrument, das in seiner aktuellen Form nicht funktioniert – eine Anpassung von Anzahl und Preis der Zertifikate dringend notwendig. Verknappung und Verteuerung sorgen für eine gerechte Verteilung der Kosten und eine marktgetriebene Energiewende.
Ebenso muss das EEG von einem Instrument zur Markteinführung zu einem Marktgestaltungsinstrument weiterentwickelt werden. Für ökologische und klimaverträgliche Energieerzeugung müssen Einspeisevorrang sowie Vorrang bei Anschluss und Durchleitung der erneuerbaren Energien vollständig erhalten bleiben. Der Verbrauchsvorrang von erneuerbaren Energien muss ebenfalls erhalten bleiben, denn nur so garantieren wir Planungs- und Investitionssicherheit sowie die realistische und faire Verteilung der Kosten der Energieversorgung.
Bis dahin muss NRW seine Stärken nutzen und die Vorreiterrolle bei Klimaschutz und Energiewende übernehmen. Mit seiner einzigartigen Mischung von großen Unternehmen, mittelständischen und kleinen Betrieben sowie mit seinen exzellenten Forschungseinrichtungen und Ausbildungsangeboten bietet unser Land ideale Voraussetzungen für die zukunftsorientierte Entwicklung der Klimaschutz- und Energietechnologien.
Nordrhein-Westfalen ist Energieland Nummer eins und soll es auch in Zukunft bleiben. Das gelingt nur, wenn wir jetzt umdenken und in eine sichere, saubere und bezahlbare Zukunft investieren. Der langfristige Nutzen der Energiewende mit ihren positiven Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft ist ein zentrales Ziel der Landesregierung.
Wir wollen Nordrhein-Westfalen zu einem führenden Energie- und Klimaschutzland in Europa entwickeln und als zukunftsweisenden Forschungs- und Wirtschaftsstandort stärken. Das ist Energiewende made in NRW
Johannes Remmel
Der 1962 in Siegen geborene Autor war zwischen 1995 und 2012 für die Partei Bündnis 90/Die Grünen Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Seit 2010 ist er Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen.