Welche Rolle spielen Messen für die deutsche Wirtschaft und wie wichtig sind sie für die Unternehmen? Wie wird sich die Bedeutung verändern und welchen Herausforderungen muss sich die Branche stellen? Wie werden Messen zukünftig aussehen?
Die Messewirtschaft ist in Deutschland ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und auf dem internationalen Markt führend. Der Erfolg wird vor allem der hervorragenden Infrastruktur der Messeplätze, den klar fokussierten und international positionierten Veranstaltungen sowie der Servicequalität zugeschrieben. Jährlich werden über 150 überregionale Messen und Ausstellungen mit 160.000 bis 175.000 Ausstellern und mehr als zehn Millionen Besuchern durchgeführt. Dazu kommt ein dichtes Netz an Fach- und Verbraucherausstellungen.
Für die Unternehmen sind Messen ein wesentliches Element im Marketing-Mix. Laut AUMA Messe Trend 2010 stuften 83 Prozent der befragten Unternehmen die eigene Messebeteiligung, gleich nach der eigenen Website, als wichtigstes Marketinginstrument ein. Darauf folgen der persönliche Verkauf, Direct Mailings und die Werbung in Fachzeitschriften. Auffällig ist: Unter den drei bedeutendsten genannten Faktoren befinden sich zwei, bei denen die persönliche Kommunikation im Vordergrund steht. Nach Meinung von 68 Prozent der Befragten wird der Face-to-Face-Kontakt auch in den nächsten fünf Jahren bedeutend bleiben.

Daraus lässt sich schließen, dass sich zukünftig nicht die Frage stellt, ob es weiterhin Messen geben wird, sondern eher, wie diese aussehen und wo diese stattfinden werden.
Die Messen wandeln sich. Messen werden in Zukunft immer weniger Orderschauen nach alter Fasson sein als vielmehr Informations-, Event- und Kommunikationsplattformen. Sie müssen den Besuchern einen Mehrwert bieten. Aus diesem Grund wird verstärkt auf Synergieeffekte aus Messe, Kongress und Rahmenprogramm gesetzt werden. Begleitende Kongresse, Kolloquien und Workshops bieten den Besuchern zusätzliche Anreize. Diese Synergien helfen den Fachbesuchern dabei, ihre Messeplanung optimal auszunutzen und zu gestalten.
Die Zeitfenster werden kürzer: Fachmessen werden künftig so kurz wie möglich sein und gleichzeitig möglichst viele Informationen vermitteln. Der Trend geht hierbei zur Dreitagesveranstaltung und zum Eintagesbesuch. Die Fachbesucher haben immer weniger Zeit, auf Messen zu gehen und wollen ihren Aufenthalt intensiv nutzen.
Daher ist es wichtig, dass die Messeveranstalter bereits im Voraus eine optimale und individuelle Planung ermöglichen. Welche Aussteller sind auf der Messe vertreten? Wo sind diese positioniert? Welche Produkte oder Dienstleistungen stellen die Unternehmen vor? Welche Workshops und Seminare werden angeboten? Aktuelle Antworten auf diese Fragen sollten auf der Internetseite der jeweiligen Messe so früh wie möglich zur Verfügung gestellt werden.
Neue Medien weiterentwickeln. Hinsichtlich der Informationsbeschaffung der Messebesucher liegt eine Herausforderung in der Weiterentwicklung der Neuen Medien. Die Besucher von Fachmessen, wie auch immer mehr Gäste von Publikumsveranstaltungen, nutzen längst nicht mehr nur die messeeigene Website zur Recherche. Sie holen sich Tipps und tauschen sich aus in Internetforen, Weblogs oder Social-Media-Diensten wie Facebook, Xing oder Twitter.
Dies bestätigt auch Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer, Professor für Marketing an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin, in der Studie „Messen 2020“ des Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (AUMA). Die Aufgabenstellung von Messeveranstaltern bestehe unter anderem darin, entsprechende virtuelle Communities zu identifizieren oder deren Bildung im Internet selbst zu unterstützen. Gleichzeitig sollten diese „Räume der Begegnung“ innerhalb von Messekonzepten geschaffen werden.
Das Stichwort lautet hier „Customer Integration“. Je mehr die Besucher auch im Vorhinein in den Entstehungsprozess der Messe mit eingebunden werden, zum Beispiel, indem bestimmte Themen in Communities vorgestellt werden, desto eher erfolgt eine optimale Verknüpfung mit der Zielgruppe.

Den Netzwerkgedanken stärken. Immer komplexer werdende, technisch anspruchsvollere Produkte und Dienstleistungen sorgen dafür, dass die persönliche Kommunikation notwendig bleiben wird. Um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden, müssen die Veranstalter in neuen Allianzen und Servicedimensionen denken. Auf einem Markt, der immer stärker von fortschreitender Spezialisierung geprägt wird, müssen neue Wege beschritten werden. Dazu gehören zum Beispiel die Kompetenz und der globale Weitblick als Dienstleister für die Unternehmen.
Die bereits enge Zusammenarbeit mit Netzwerken und Clustern wird künftig noch an Bedeutung gewinnen. Fachmessen werden meist in Kooperation mit Partnern aus Wirtschaft und Forschung organisiert. Die Messe Stuttgart ist zum Beispiel auf Fachmessen spezialisiert und hat internationale Fachmessen im Angebot. Zu den Partnern zählen unter anderem die Universität Stuttgart, die Fraunhofer-Institute und weitere Netzwerke. Die „Consense“ – Internationale Fachmesse und Kongress für nachhaltiges Bauen, Investieren und Betreiben – ist ein Beispiel dafür, wie eine Messe aus Kooperationen entstehen kann. Ursprung der Messe war der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, zu dem dann eine entsprechende Fachausstellung konzipiert wurde.
Als weiterer Zukunftstrend ist die Kooperation zwischen einzelnen Messegesellschaften zu sehen. So haben die Koelnmesse und die Messe Stuttgart beschlossen, ihre Kompetenzen im Bereich IT-Fachveranstaltungen zu bündeln. Die Kölner Digital Management Solution Expo (DMS EXPO) findet seit 2010 zusammen mit der IT & Business statt. Diese fachgebietsübergreifende Verbindung bietet sowohl für die Aussteller als auch die Besucher Vorteile und sorgt für eine stärkere öffentliche Wahrnehmung der Veranstaltung.
Globale und regionale Kompetenz ausbauen. Die Messeveranstalter werden künftig zweigleisig fahren müssen – international und regional. Dies entspricht teilweise den bereits bestehenden Portfolios, die sowohl international als auch regional aufgestellt sind. Einerseits steht die globale Vermarktung der Messen im Vordergrund, auch wenn die einstigen Weltleitmessen sich eher zu Kontinentalmessen wandeln werden. Andererseits dürfen wir im Hinblick auf die Globalisierung den Heimatmarkt nicht vergessen. Dabei sollte nicht in allzu kleinen Dimensionen gedacht werden, sondern eher in neuen, europäischen Regionaldimensionen. Die Bildung von europäischen Regionalclustern wird zukünftig an Bedeutung gewinnen.
Die Herausforderungen an die Messen von heute und morgen sind vor dem Hintergrund der Globalisierung, der hohen Informationsbedürfnisse, der immer engeren Zeitfenster von Besuchern sowie der sich stetig wandelnden Märkte sehr anspruchsvoll. Vor allem sollen Ausstellungen jedoch eine herausragende Plattform für Begegnung, Präsentation und Verkauf bieten können.
Der 1952 in Fulda geborene Autor war von 1989 bis 1994 Geschäftsführer der Blenheim Schweiz AG sowie der Blenheim Int. Deutschland GmbH. Von 1996 bis 2001 war er Geschäftsführer der Leipziger Messe GmbH, bevor er 2001 als Geschäftsführer zur Stuttgarter Messe- und Kongressgesellschaft mbH wechselte. Seit 2006 ist er Sprecher der Geschäftsführung der Landesmesse Stuttgart GmbH (LMS).