Die Geschichte von Siemens in Tunesien nahm ihren Anfang vor mehr als 80 Jahren. Alles begann im Jahr 1932 mit einer Vertretung von Siemens durch die Hans Römer & Co. und ab 1953 durch die Elektrizitätswerke Import SITELEC ltd.
Diese Präsenz nahm 1990 durch die Gründung des Unternehmens ETTAS (Tunisian Telecommunication Company Atea-Siemens) neue Gestalt an. Das Unternehmen hatte es sich zum Ziel gesetzt, auf die Leistungen und den technischen Support der Digitalisierungsprojekte des nationalen Telekommunikationsnetzes aufzubauen. Das hinderte Siemens jedoch nicht daran, zwischen 1983 und 1995 neue Meilensteine in Tunesien zu setzen. Dazu gehörte die Inbetriebnahme der ersten Straßenbahnlinie Afrikas.
Im Jahr 1999 wurde die ETTAS in Siemens Information and Communications S.A. umbenannt, die ein Vertriebsnetz für Mobilfunkmasten und IT-Produkte von Fujitsu Siemens Computers aufbaute. Durch Integration von Aktivitäten rund um die Konstruktion, Analyse und Konzeption von Kommunikationsnetzen erweiterte das Unternehmen 2001 sein Tätigkeitsfeld und wurde dadurch 2002 zum Partner der Tunisiana, dem zweitgrößten Mobilfunkanbieter Tunesiens.
2005 wurden das Geschäftsfeld von Siemens in den Bereichen Transport, Energie und Industrieautomatisierung noch vielfältiger und seit 2006 firmiert das Unternehmen unter dem heutigen Namen Siemens S.A. Heute ist Siemens wie der Mutterkonzern in den vier Geschäftsfeldern Industrie, Energie, Infrastruktur und Städte sowie Gesundheitswesen aktiv.
Tunesien ist eine der diversifiziertesten Volkswirtschaften der Region und verfügt über verschiedene natürliche Ressourcen. Die Technologien und Lösungen in den vier Geschäftsfeldern bedienen den Bedarf der Wirtschaft. Als Unternehmen für integrierte Technologie liefert Siemens Antworten auf viele infrastrukturelle Herausforderungen Tunesiens.
Im Energiesektor ist beispielsweise bemerkenswert, dass mehr als 99 Prozent der tunesischen Bevölkerung Zugang zu Strom hat. Aber die Nachfrage wächst jährlich um weitere 5,4 Prozent und wird bis 2030 etwa 32 Milliarden kWh erreichen. Angesichts des wachsenden Energiemarktes bietet Siemens eine umfassende Lösung an, die von nachhaltiger Windkrafttechnologie bis hin zu HTCC-Technologien reicht. Vor diesem Hintergrund nahm das Unternehmen 1982 das Wärmekraftwerk in Sousse in Betrieb und sorgt bis heute für Instandhaltung und Ausbau. Seit 1998 richtete Siemens zudem 27 luftisolierte Hochspannungs-Umspannwerke (225 kV) für die Zusammenschaltung der Stromnetze Tunesiens und Libyens ein. Hinzu kamen 12 gasisolierte Umspannwerke (90 kV) für den tunesischen Energieversorger STEG (Société Tunisienne de l’Electricité et du Gaz). Bis heute ist Siemens ein bevorzugter Partner in diesem Zukunftsmarkt und konnte vor kurzem seine Position innerhalb der STEG weiter ausbauen. Die STEG wurde durch die Umsetzung von Stromübertragungssystemen im Rahmen des elften nationalen Entwicklungsplans zum führenden Unternehmen im Energiebereich in Tunesien und errichtet derzeit acht gasisolierte Umspannwerke.
Dies hebt nicht nur die stolze Tradition von Siemens im Bereich der Energieversorgung in der Region hervor, sondern bietet außerdem die Gelegenheit, die Herausforderung des Bedarfs an Infrastruktur einer wachsenden Bevölkerung aufzuzeigen, insbesondere im Hinblick auf die großen Städte Tunis oder Sfax. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass im Jahr 1900 die Gesamtbevölkerung von Tunis nicht mehr als 147.000 Einwohner zählte. Im Laufe des letzten Jahrhunderts wuchs die Bevölkerungszahl jedoch unverhältnismäßig stark an und beträgt mittlerweile mehr als eine Million Einwohner. Das entspricht einem Anstieg um das Siebenfache innerhalb eines Jahrhunderts mit all den damit verbundenen Herausforderungen und Chancen.
Das Verkehrswesen stellt eine der größten Herausforderungen dar und Siemens nutzte die Gelegenheit, um sich auf diesem Gebiet in der Region durchzusetzen. Das Unternehmen war Hauptlieferant für den Bau der ersten Straßenbahnlinie in Afrika und nahm infolgedessen sowohl 140 Straßenbahnen als auch ein etwa 50 km umfassendes Netzwerk in Tunis in Betrieb. In einem Konsortium mit Colas Rail und Somatra Get unterzeichnete Siemens in diesem Jahr einen Vertrag mit dem Unternehmen RFR (Réseau Ferroviaire Rapid), der die Umsetzung des Projekts der Modernisierung von Bahnlinien des Schnellbahnnetzes in Tunis beinhaltet.
Auch der Industriesektor von Siemens in Tunesien ist sehr aktiv. Mit hunderten Industrieparks und zehn Stärken der Wettbewerbsfähigkeit macht die tunesische Industrie etwa 30 Prozent des BIP aus. Sowohl die Bereiche Zement und Bergbau als auch die Chemieindustrie mit neun Zementwerken, einer jährlichen Phosphatproduktion von etwa acht Millionen Tonnen und einer langen Tradition in der Phosphat-Förderung und -verarbeitung stellen sich als aufstrebende Märkte mit großen Potenzialen dar.
Siemens ist einer der Hauptlieferanten für die Technologie dieser Branchen und der Industrie im Allgemeinen, angefangen mit Lösungen für die industrielle Automation, die zur Steigerung der Produktivität der tunesischen Industriekonzerne dienen, bis zu Ausbildungsprogrammen. Siemens erhält regelmäßig wichtige Aufträge von der Zementindustrie und liefert Lösungen für die großen Unternehmen der tunesischen Industrie, wie etwa die Tunisian Chemical Group GCT oder SEREPT (Öl- und Gasunternehmen).
Siemens hat in Tunesien zudem eine lange Tradition im öffentlichen und privaten Gesundheitswesen. So stellte das Unternehmen in Tunesien beispielsweise afrikaweit den ersten CT-Scanner mit 128 Schichten, der in einem privaten Krankenhaus genutzt wird. Mit einem Angebot, das Technologien für medizinische Bildgebungsverfahren und Systeme der Labordiagnostik umfasste, arbeitete Siemens in den folgenden Jahren weiter daran, MRT-Systeme und Scanner in zahlreichen öffentlichen und privaten Krankenhäusern in Tunesien einzurichten.
Der Erfolg von Siemens Tunesien ist und wird immer von einem gemeinsamen Willen abhängen. Tunesien hat als Land zwar nur zehn Millionen Einwohner, aber dafür zahlreiche Arbeitskräfte. Die Qualität des Bildungssystems und die Verfügbarkeit von Ingenieuren und Wissenschaftlern zählen zu den Besten weltweit. Diese Merkmale haben es Siemens stets ermöglicht, sich auf hochqualifizierte ortsansässige Mitarbeiter für die Erfüllung ihrer Projekte verlassen zu können.
Tunesien profitiert von der geografischen Lage im Herzen des Mittelmeers, die das Land zu einer ausgezeichneten Geschäftsplattform macht. Für die Entwicklung des Unternehmens hat sich die Nähe zu Europa und insbesondere zu Deutschland, Nordafrika und Subsahara-Afrika als äußerst vorteilhaft erwiesen.
Die tunesische Wirtschaft musste infolge der Revolution einen spürbaren Rückschritt hinnehmen. Aber die Revolution hat auch neue Herausforderungen für Tunesien und für Siemens hervorgebracht. Der Wille zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Verpflichtung, die Wirtschaft durch öffentliche und private Investitionen anzukurbeln, sowie die Verbesserung der Infrastruktur in den inneren und benachteiligten Regionen zählen zu diesen vielen Herausforderungen. Natürlich wird es immer wieder Projekte geben, die dem Risiko ausgesetzt sind, verschoben zu werden. Die grundsätzliche Tendenz zur Urbanisierung und zur Entwicklung der Infrastruktur sowie den damit verbundenen Investitionen wird aber langfristig andauern. Abschließen möchte ich mit einem Zitat Winston Churchills, der meiner Meinung nach unsere Gemütslage gut zusammenfasst: „Der Pessimist sieht Schwierigkeiten in jeder Gelegenheit. Der Optimist sieht Gelegenheit in jeder Schwierigkeit.“
Der Autor wurde 1970 in Tunesien geboren und ist seit 2009 Geschäftsführer der Siemens Tunisia. Im Jahr 1996 schloss
er sein Studium als Diplom-Ingenieur an der Universität Dortmund ab. Nachdem er bei mehreren Unternehmen beschäftigt war, begann er 2003 seine Tätigkeit bei Siemens.