Tunesien trat mit der Jasmin-Revolution 2010/2011, deren Friedlichkeit und Ruhe die Welt verblüffte, in eine entscheidende Phase seiner Gegenwartsgeschichte.
Tunesien lebt jetzt im Rhythmus eines echten Übergangs zur Demokratie. Die wichtigsten Grundlagen bilden die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, Achtung öffentlicher und individueller Freiheiten und der Schutz universeller Werte wie der Menschenrechte. Tunesien machte große Schritte in diese Richtung. Das auffälligste Merkmal lässt sich in der Organisation von Wahlen zur nationalen verfassungsgebenden Versammlung erkennen. Diese fanden unter transparenten und demokratischen Bedingungen statt und verfolgten das Ziel, eine neue Verfassung zum Schutz der Freiheiten und Rechte aller tunesischen Männer und Frauen zu schreiben. Gleichzeitig strebt Tunesien einen Konsens an, mit dem ein klarer Fahrplan für die großen kommenden politischen Ereignisse festlegt werden kann, vor allem für die nächsten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen.
Während der demokratische Übergang reibungslos voranschreitet, kann ein voller Erfolgnur dann erreicht werden, wenn auch eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung angestrebt wird, mit der die Erwartungen der jungen tunesischen Männer und Frauen angesprochen werden kann: steigendes Einkommen, Schaffung von Arbeitsplätzen und bessere Lebensbedingungen aller sozialer Gruppen. Ein wichtiges Anliegen der Tunesier ist die Beschäftigung mit der Entwicklung des Landesinneren, das unter einer jahrzehntelangen Marginalisierung gelitten hat, obwohl Arbeitskräfte und natürliche Ressourcen zur Verfügung stehen.
Auf dieser Grundlage richtet die Regierung ihre größte Aufmerksamkeit darauf, die nationale Wirtschaft zu reformieren sowie effizienter und diversifizierter zu gestalten, damit sie wettbewerbsfähiger werden kann. Investitionen aus dem In- und Ausland haben neben den staatlichen Maßnahmen eine zentrale Rolle für die Entwicklung des Landes.
In diesem Sinne hat die Regierung in Zusammenarbeit und Abstimmung mit allen beteiligten Parteien begonnen, die Grundzüge eines umfassenden Reform-Programms vorzubereiten. Damit sollen die Grundlagen für Investitionen, eine solide Regierungsführung und Transparenz der Maßnahmen geschaffen werden, während das institutionelle System in Übereinstimmung mit international bewährten Methoden modernisiert wird. Die Maßnahmen werden die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung vorantreiben und die Dienstleistungsqualität verbessern.
Die eingeleitete Reform des Rechtssystems ist Teil einer strategischen Vision, die die Interessen und Erwartungen aller beteiligten Parteien einbezieht und den Dialog mit allen Parteien, Institutionen, Geschäftsleuten, nationalen Organisationen, Hilfs- und Förderstellen, Zivilgesellschaften und anderen berücksichtigt.Neben diesen Initiativen werden schnelle Schritte zur Reform des Bankensektors vorgenommen, mit deren Hilfe einerseits dessen Kapazität gestärkt und andererseits das Finanzsystem für Investitionen und Initiativen weiterentwickelt und verändert werden. Die definierte sektorale Strategie steht im Einklang mit den Anforderungen und betont die notwendige Einbeziehung der Gebiete im Landesinnern, der dortigen Lebensqualität und Potenziale.
Der nationale Konsens und Dialog zwischen allen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Kräften in den wichtigsten Belangen ist unser zentrales Anliegen. Dies ist der einzige Garant für eine konstruktive Annäherung unter Berücksichtigung der Prioritäten Tunesiens und seiner Bürger.
Der anhaltend positive Trend ist charakteristisch für unser Land. Deshalb wird der Produktionszyklus in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen sein normales Tempo schon in kurzer Zeit wieder erreicht haben. Die tunesische Wirtschaft wird aber noch dynamischer, noch offener, wettbewerbsfähiger und investitionsfreundlicher. Die Steigerung ausländischer Investments in Tunesien im Jahr 2012 war ein direktes Resultat dieses Umstands.
In der jährlichen Klassifizierung des World Economic Forums in Davos behielt Tunesien im afrikanischen Vergleich den ersten Rang in der Bewertung des fairen Wettbewerbs. Eine Bewertung, die jüngst durch den Doing Business-Report 2013 bestätigt worden ist. Auch hier führte Tunesien mit Rang 50 von 185 Standorten vor allen nordafrikanischen Ländern. Auch die Zunahme von Geschäftsgründungen ausländischer Investoren bestätigt das Vertrauen. Die Zahl ausländischer Wirtschaftsdelegationsreisen nach Tunesien hat eine Rekordhöhe erreicht – ein weiterer Beleg für den ausgezeichneten Standort für Geschäftsleute und Investoren.
Schon Anfang der 70er Jahre strömten tausende internationale Firmen nach Tunesien, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Dank seiner vorteilhaften infrastrukturellen Substanz folgt Tunesien der weltweiten industriellen Entwicklung in Echtzeit. Heute machen die Branchen Textilindustrie, Maschinenbau, Energie sowie Automotive und Flugzeugbau das Land zum bedeutendsten Exporteur südlich des Mittelmeers in die EU. Und ganz gleich, ob hochwertige Kleidungsstücke oder extrem anspruchsvolles Hightech, tunesische Anbieter reagieren zeitschnell und anforderungsgerecht auf Bestellungen.
Die Menschen mit ihren herausragenden Talenten und ihrer Leidenschaft für technologische Innovationen waren und sind noch immer der große Reichtum Tunesiens, der über Generationen hinweg eine Geschäftskultur prägt, deren Erfolg seit mehr als 3000 Jahren bekannt ist.
Deshalb investiert Tunesien in Erziehung, Aus- und Weiterbildung, um die auf dem Arbeitsmarkt geforderten Fähigkeiten bereitzustellen und den Geist von Initiative, Kreativität und Innovation zu stärken. Gleichzeitig werden Forschungseinrichtungen und Technologiezentren, wie etwa der bedeutende „Tunis Telecommunications Technology Park“, gefördert und vielfältiger gestaltet, um neue Potenziale für Wirtschaft und Kreativität entwickeln zu können.
Für die Wettbewerbsfähigkeit ist aber auch der Zugang zu neuen Märkten von Bedeutung. Tunesien hat im Integrationsprozess einen wichtigen Schritt vollzogen, insbesondere innerhalb der PAN-EUR-MED-Zone, als einen ersten Schritt zu den globalen Märkten. Tunesien ist Mitglied der WTO- sowie FTA-Übereinkommen und steht in weiteren Verhandlungen mit der EU, der Türkei, Marokko und Jordanien. Zudem ist ein FTA-Übereinkommen mit den USA im Gespräch.
Tunesien zeichnet sich durch relativ nied-rige Produktionskosten aus: gut ausgebildete Fachkräfte zu konkurrenzfähigen Arbeitskosten, voll ausgestattete Immobilien, angemessene Mieten, niedrige Energiepreise für die Industrie, Gewerbegebiete mit einfachem Zugang zu Exportmärkten. Tunesiens Stärken werden durch attraktive Regelsysteme zusätzlich gestärkt.
Tunesien ist zudem gerade dabei, die Gründung einer nationalen Investmentagentur abzuschließen, deren Hauptaufgabe es sein wird, die Aktivitäten der verschiedenen Wirtschaftsakteure zu koordinieren und eine klare Investitionsstrategie unter Berücksichtigung der regionalen Investitionsvorteile zu entwickeln.
Ein großer Fortschritt ist der rechtliche Rahmen für die verschiedenen Kooperationsmöglichkeiten zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor, der Investoren einen klaren Blick auf diversifizierte Investitionsmöglichkeiten und Partnerschaften eröffnet.
Die größte Herausforderung sehen die Tunesier in der Entwicklung der Regionen im Landesinnern, die seit Jahrzehnten unter Marginalisierung und Jugendarbeitslosigkeit leiden. Die Regierung legt höchste Priorität auf die Reform und Revision der Investitionsanreize, um diese effizienter und diversifizierter zu gestalten und dadurch wettbewerbsfähiger zu werden. Der neue Investitionscode wird dabei auch zusätzliche Aktivitäten beinhalten, die bislang nicht berücksichtigt wurden. Die kürzlich erfolgte Aufnahme Tunesiens in die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die unterzeichneten Abkommen über gute Regierungsführung und zur Prävention vor Korruption und Bestechlichkeit sind weitreichende Signale und senden eine besonders positive Botschaft über die Vertrauenswürdigkeit des Standortes Tunesien.
Wir sind zuversichtlich, dass die Prinzipien guter Regierungsführung und Transparenz mit besonderer Berücksichtigung der Infrastruktur die Fähigkeit Tunesiens bestärken wird, neue Investitionen insbesondere im Landesinnern und im Technologiebereich zu generieren.
Tunesien ist offen für Besuche und Investitionen. Es blickt voller Vertrauen in die Zukunft und lädt Sie ein!
Ridha Saidi wurde 1962 in Menzel Bourguiba, Tunesien geboren. Der Wirtschaftsminister im Premierministeramt hat einen Technik-Abschluss der École nationale d’ingénieurs de Tunis (ENIT) und absolvierte seinen Master im Qualitätsmanagement und produktion. Er war Vorsitzender des Nordwestbezirks der „Tunisian Electricity and Gas Company“ (STEG).