Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betreibt neben der Grundlagenforschung vor allen Dingen anwendungsorientierte Luftfahrtforschung. Vorrangiges Ziel der DLR-Luftfahrtforschung ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen und der europäischen Luftfahrtindustrie und Luftverkehrswirtschaft zu stärken und den Anforderungen von Politik und Gesellschaft nachzukommen.
Das DLR stellt sich der Herausforderung, den stark wachsenden Luftverkehr effizient, umweltfreundlich und nachhaltig zu gestalten. Das Technologieportfolio des DLR orientiert sich an den Zielen des europäischen Strategiepapiers „Flightpath 2050“, das die „Vision 2020“ im Jahr 2011 abgelöst hat. Das Strategiepapier formuliert die Herausforderungen, die gesellschaftlichen Bedürfnisse sowie die des Marktes zu erfüllen, die europäische industrielle Spitzenposition zu erhalten und zu erweitern, die Umwelt zu schützen und die Energieversorgung weiter zu gewährleisten, die Sicherheit im Luftverkehr zu garantieren sowie Schwerpunkte in der Forschung zu setzen, Einsatzmöglichkeiten zu prüfen und die Ausbildung zu optimieren. Hieraus ergeben sich unter anderem die Ziele, ein Air Traffic Management zu entwickeln, das für 25 Millionen Flüge pro Jahr in Europa geeignet ist, die Kohlendioxid-Emissionen pro Passagierkilometer um 75 Prozent zu reduzieren (90 Prozent Reduktion der Stickoxid-Emissionen), die Unfälle im europäischen Luftverkehr auf weniger als einen Unfall pro zehn Millionen kommerzielle Flüge zu verringern sowie dass es 90 Prozent der Europäer möglich ist, ihr Ziel innerhalb von vier Stunden zu erreichen (door-to-door).
Zur Erreichung der europäischen Ziele erarbeitet das „Advisory Council for Aviation Research and Innovation in Europe“ (ACARE) eine „Strategic Research and Innovation Agenda“ (SRIA), welche die bestehende „Strategic Research Agenda“ (SRA) 2012 ablösen wird. Die SRIA wird auch in die Luftfahrtstrategie des DLR einfließen.

Boeing 737-700 NG der Air Berlin bei Flugversuchen zu lärmarmen
Landeanflügen am Forschungsflughafen Braunschweig.
Mit seinen bestehenden Luftfahrtinstituten – die größten Luftfahrt-Standorte sind in Braunschweig und Göttingen – der Beteiligung an den Deutsch-Niederländischen Windkanälen (DNW) und am Europäischen Transsonischen Windkanal (ETW) sowie seiner Flotte von Forschungsflugzeugen und -hubschraubern besitzt das DLR die Fähigkeit, das gesamte Lufttransportsystem zu betrachten. Die DLR-Forschung zu diesem Thema umfasst dabei die land- und luftseitigen Operationen am Flughafen, das Luftfahrzeug als hochkomplexes System und letztlich die Flugführungsaktivitäten. An den niedersächsischen DLR-Standorten Göttingen und Braunschweig wird der größte Teil der Luftfahrtforschung des DLR betrieben. In Stade wird momentan mit einem von zwei Forschungszentren für Leichtbauproduktionstechnologie (ZLP) ein weiterer DLR-Standort in Niedersachsen aufgebaut.
Windkanäle sind in der Forschung für leisere Flugzeuge oder Autos ein wichtiger Bestandteil, da mit ihrer Hilfe die aerodynamischen und aeroakustischen Eigenschaften der untersuchten Objekte vermessen werden können. Das ist wichtig, um Lärmquellen zu identifizieren oder Auftrieb und Stabilität zu messen. Im Dezember 2010 eröffnete das DLR am Standort Braunschweig gemeinsam mit dem DNW den leistungsfähigsten aeroakustischen Windkanal der Welt, der sowohl für Luftfahrzeuge als auch für Pkws eingesetzt werden kann. Bei modernen Verkehrsflugzeugen sind vor allem die dominanten Hauptquellen der Lärmentstehung, zum Beispiel das Triebwerk, aber auch die Landeklappen oder das ausgefahrene Fahrwerk bei der Landung, Gegenstand der Forschung. Bis jetzt konnten kleinere Lärmquellen, die in der Summe aber eine beträchtliche Bedeutung haben, aufgrund des Eigenlärms des Windkanals nicht identifiziert werden. Mit dem neuen Braunschweiger Windkanal ist dies nun möglich: Störende Lärmquellen konnten direkt identifiziert und somit ausgeschlossen werden.
Flüge am Flugsimulator geben schon am Boden Auskunft über den späteren Einsatz des Flugzeugs. Das DLR plant darüber hinaus ein neues Simulatorzentrum in Braunschweig und geht damit einen wichtigen Schritt in Richtung Luftfahrtforschung der Zukunft. Dieses Gemeinschaftsprojekt des DLR und der Technischen Universität Braunschweig reiht sich in die bereits bestehende Infrastruktur ein und wird einzigartige Möglichkeiten in der Luftfahrtforschung schaffen. Hier trifft die Anwendungsforschung auf den Wissenschaftsbereich der Universitäten. Kernthema des Zentrums ist die Erforschung der dynamischen Wechselwirkung zwischen Mensch und Maschine. Es sollen unter anderem auch kritische Situationen simuliert werden, Versuchskampagnen werden vorbereitet und Untersuchungen zur Trainingseffizienz finden statt. Die Forschung zur Wirkung von Wirbelschleppen, die im Flugverkehr von voranfliegenden Flugzeugen hervorgerufen werden und die Staffelungsabstände und somit die Flughafenkapazitäten definieren, ist nur einer von vielen weiteren wichtigen Forschungsschwerpunkten. Des Weiteren zählen dazu Untersuchungen aktiver Bedienelemente wie die Weiterentwicklung des so genannten Sidesticks, der erstmals von Airbus in der Verkehrsluftfahrt eingeführt wurde und der das konventionelle Steuerhorn beziehungsweise die Steuersäule eines Luftfahrzeugs ersetzt. Außerdem werden neuartige Cockpitanzeigen für Hubschrauber zur Verbesserung der Flugstabilität beim Transport hängender Außenlasten sowie die Allwetterfähigkeit und Landungen bei schlechter Außensicht erprobt.

Der Niedergeschwindigkeits-Windkanal in Braunschweig (NWB).
Das Gebläse hat einen Durchmesser von 4,70 Metern.
Ebenfalls um Lärmvermeidung ging es bei Versuchen am Hubschrauber, die das DLR in Göttingen gemeinsam mit Forschern der NASA durchführte. Am Hubschrauber entsteht der Lärm hauptsächlich durch den Rotor. Der Rotorlärm stand im Mittelpunkt des Forschungsinteresses – Hubschrauber sollen in Zukunft leiser sein.

TAMS (Total Airport Management Suite) zielt darauf ab, die Aktivitäten von Flughafenbetreibern, Fluggesellschaften, Flugsicherung und den anderen am „System Flughafen“ beteiligten Parteien besser zu verzahnen und prozessbezogene Reibungsverluste wie Wartezeiten und Umweltbelastungen zu reduzieren.
Der Autor studierte Luft- und Raumfahrttechnik an der TU Berlin. Er war über 20 Jahre in verschiedenen Positionen bei Airbus beschäftigt, bevor er 2006 seine Tätigkeit als Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen aufnahm und dort das Institut für Luft- und Raumfahrt leitete. 2010 wechselte Prof. Henke zum Vorstand des DLR, wo er für den Bereich Luftfahrt zuständig ist.