Gleich vier Sonderforschungsbereichen (SFB), an denen die hallesche Universität beteiligt ist, zwei geistes- und zwei biowissenschaftlichen, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft 2008 eine weitere Förderperiode gewährt. Gleich zwei internationale Zentren für Innovationskompetenz hat das Bundesforschungsministerium für Halle bewilligt. Und für den Spitzencluster „Solarvalley Mitteldeutschland“ ist der Durchbruch geschafft. Diese Top-Nachrichten sind weithin sichtbare Zeichen für eine Erfolgsgeschichte, die die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) mit ihren innovativen Forschungskonzepten schreibt. Diese wiederum ist das Ergebnis einer konsequenten Profilierung.
Die Forschungsschwerpunkte der MLU liegen in den Biowissenschaften (Exzellenznetzwerk „Strukturen und Mechanismen der biologischen Informationsverarbeitung“), den Materialwissenschaften („Nanostrukturierte Materialien“), den Kultur- und Gesellschaftswissenschaften („Gesellschaft und Kultur in Bewegung“) und der Religions- und Geistesgeschichte der frühen Neuzeit („Aufklärung – Religion – Wissen. Transformationen des Religiösen und des Rationalen in der Moderne“). Eines ihrer wichtigsten Zukunftsthemen ist zudem die Photovoltaik. Die Universität hat sich in ihrem Lehr- und Forschungsprofil den regionalen Wachstumsindustrien auf diesem Gebiet geöffnet, einen entsprechenden Masterstudiengang auf den Weg gebracht und eine Q-Cells-Stiftungsprofessor etabliert.

Die Photovoltaik spielt auch eine große Rolle im materialwissenschaftlichen Projekt „SiLi-Nano“, einer Gemeinschaftsinitiative von MLU, Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik und Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik. Dieses neue Zentrum für Innovationskompetenz hat die Bereiche im Blick, in denen Silizium in Kombination mit Licht zum Einsatz kommt. Es zielt auf die Schnittstelle von Silizium-Photonik und Photovoltaik. Die Forschungsfelder der drei auf dem weinberg campus ansässigen Partner ergänzen sich dabei perfekt und bieten optimale Synergien aus Grundlagen- und angewandter Forschung sowie der Aus- und Weiterbildung.
Das zweite hallesche Zentrum für Innovationskompetenz, angesiedelt bei den Biowissenschaftlern der MLU, trägt den Namen „HALOmem – membrane protein structure & dynamics“. Membranproteine steuern und regulieren essenzielle Funktionen im menschlichen Körper. Sie werden deshalb bei der Herstellung neuartiger (maßgeschneiderter) Medikamente in Zukunft eine herausragende Bedeutung haben. Doch sind ihre Strukturen noch unzureichend erforscht.
Mit neu entwickelten Methoden soll es möglich werden, die Proteine in ihrer Struktur und Dynamik zu charakterisieren.
Damit passt dieses Zentrum hervorragend zum SFB 610, den die Partneruniversitäten Leipzig und Halle-Wittenberg gemeinsam bestreiten. „Protein-Zustände mit zellbiologischer und medizinischer Relevanz“ lautet sein Thema. Die Ergebnisse dieser Protein-Forschungen sind nicht nur für die weitere Grundlagenforschung, sondern auch für Industriepartner von großem Interesse.
Zwei Sonderforschungsbereiche sind derzeit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angesiedelt. An drei weiteren ist die MLU beteiligt. Der jüngste im Bunde ist der SFB 762 zur „Funktionalität Oxidischer Grenzflächen“. Die MLU kooperiert dabei mit ihrer Partneruniversität Leipzig, dem halleschen Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik und der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Die gemeinsame Erforschung spezieller Nanostrukturen soll neue Funktionalitäten hervorbringen und könnte im Ergebnis zu einer Revolution in der Speichertechnologie führen. Die beteiligten Wissenschaftler stellen Nanostrukturen her, die aus wenigen Atomlagen eines Oxids bestehen, kombiniert mit wenigen Atomlagen eines Metalls oder eines anderen Oxids. Die Grenzfläche bestimmt dann die funktionalen Eigenschaften dieser Nanostruktur – und die können völlig neuartig sein.
Ebenfalls an der MLU angesiedelt ist der SFB 648 „Molekulare Mechanismen der Informationsverarbeitung in Pflanzen“. Wissenschaftler aus sechs Instituten der halleschen Universität forschen zusammen mit Kollegen aus dem Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle und dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben.
Der SFB zielt auf die Aufklärung der molekularen Mechanismen, die den intrazellulären Netzwerken, der Interaktion mit Krankheiten verursachenden Mikroorganismen und der Signalverarbeitung der Pflanzen zugrunde liegen.
Last but not least verdienen die beiden geisteswissenschaftlichen Sonderforschungsbereiche besondere Beachtung. Der SFB 580 „Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch“ (Universitäten Jena und Halle-Wittenberg) geht bei der Erklärung des Wandels in den nachsozialistischen Gesellschaften neue Wege. Die Wissenschaftler gehen nicht von einer einfachen Angleichung an westliche Verhältnisse aus, sondern sehen in Ostdeutschland die Entwicklung eigener Lösungen für die Herausforderungen des Vereinigungsprozesses und des globalen Wandels.
Im SFB 586 „Differenz und Integration“ (Universitäten Leipzig und Halle-Wittenberg) werden Wechselwirkungen zwischen nomadischen und sesshaften Lebensformen in Zivilisationen der Alten Welt erforscht. Untersuchungsraum ist der altweltliche Trockengürtel von Marokko bis China. Handel und Austausch, Abgrenzung und Konflikt, Versuche der Beherrschung und Prozesse der Durchdringung haben dort das Verhältnis von festen, oft urbanen Siedlungsformen und nomadischen Bevölkerungen bestimmt.

Die Forschungsschwerpunkte der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg haben insgesamt eine enorme Anerkennung erfahren. Die eingeworbenen Drittmittel stellen eindrucksvoll unter Beweis, welch wichtige Forschungsleistung hier erbracht wird. Eine Leistung, die direkt auf die Lehre durchschlägt. Schließlich fließen aktuelle Forschungsergebnisse bei uns in die Lehre ein, und von den Wirtschaftskooperationen profitieren unsere Studierenden auch. Wie gesagt: Es ist eine Erfolgsgeschichte, die man als hallescher Universitätsrektor erzählen kann.
Der Autor wurde 1947 geboren und studierte von 1970 bis 1974 Agrarwissenschaften in Kiel. 1993 wurde er Professor für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der Universität Bonn. 1994 kam er an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und war dort von 1996 bis 2000 Dekan der Landwirtschaftlichen Fakultät. Seit September 2006 ist er Rektor der MLU.