Wenn die Friedrich-Schiller-Universität 2008 ihr 450. Jubiläum begeht, kann sie aus drei Gründen zuversichtlich in die Zukunft blicken: Erstens kann die Universität an eine reiche Tradition anknüpfen, die ihr wiederholt europäische, ja weltweite Ausstrahlung gesichert hat; zweitens steht sie im Zentrum einer Technologie- und Innovationsregion, die zu den dynamischsten in Europa gehört, und drittens hat sie seit dem Umbau nach der Wende der Jahre 1989/90 konsequent eine qualitätsorientierte Berufungspolitik verfolgt, die in den vergangenen Jahren eine konzentrierte Schwerpunktbildung ermöglichte, ohne die Breite klassischer akademischer Fächer in Forschung und Lehre aufzugeben. So konnte sie den massiven Herausforderungen der vergangenen Jahre – Bologna-Prozess mit gravierenden Eingriffen in die gewachsene deutsche Ausbildungsstruktur, Verschärfung der Konkurrenzsituation durch die Exzellenzinitiative sowie Neuausrichtung universitärer Leitungs- und Entscheidungsstrukturen durch die Hochschulgesetzgebung – erfolgreich begegnen.

Aus Tradition innovativ
An Lichtmess 1558 wurde der unmittelbar aus der Reformation hervorgegangenen Hohen Schule zu Jena die kaiserliche Anerkennung als Universität übergeben, die zur führenden Hochburg deutscher Geistesstätten wurde. Die Namen Herder, Wieland, Goethe, Schiller, Fichte, Hegel und Schelling sprechen für sich.
Im 19. Jahrhundert waren es dann Naturwissenschaftler, die jene zweite Blüte hervorbrachten, in der Jena bis zum Ende der Weimarer Republik stand: Ernst Haeckel erschloss mit dem Begriff „Ökologie“ das Verhältnis von Organismen zu ihrer Umwelt der biologischen Forschung. Der Universitätsmechanikus Carl Zeiss, der Physiker, Unternehmer und Sozialpolitiker Ernst Abbe und der Glaschemiker Otto Schott legten den Grundstein für die Symbiose von universitärer Grundlagenforschung, industriell verwertbarer Innovation und qualitätsorientierter Produktion, die den Standort Jena seither auszeichnet. Die industrielle Fertigung von Mikroskopen, die 1902 errichtete Carl-Zeiss-Stiftung, das 1925 erbaute Planetarium, die vorausschauende Sozialpolitik Abbes waren erfolgreiche Meilensteine, denen weitere folgten: die Entdeckung des EEG (Hans Berger) und des UKW-Funks (Esau), die Gründung eines medizintechnologischen Labors durch Schott, die nach dem Zweiten Weltkrieg Hans Knöll die industrielle Penicillin-Herstellung ermöglichte, und andere.
Technologie- und Innovationsregion
Bei aller Ausstrahlung über die Grenzen Thüringens hinweg hat sich die Universität in ihrer Geschichte jedoch immer als eine „Landesuniversität“ in dem Sinne verstanden, dass in Forschung und Lehre alle Fachbereiche eine besondere Verantwortung für die Entwicklungsbelange der Region wahrgenommen haben. So ist die Universität der Kristallisationskern und Motor für die Technologie- und Innovationsregion Jena, deren Dynamik in jüngster Vergangenheit internationale Aufmerksamkeit fand. Der Economist sprach vom „reincarnation valley“ (2006), Der Spiegel vom „München des Ostens“ (2007).
Zur regionalen Entwicklung trägt die Universität in erster Linie durch ein breites, qualitätsvolles Studienangebot bei, durch das qualifizierte Absolventen für das ganze Spektrum akademischer Berufe herangebildet werden. Besonders der Lehrerbildung misst die Universität dabei hohe Bedeutung zu, wie in der Gründung eines Zentrums für Lehrerbildung und Didaktikforschung deutlich wird. Auch die Weiterbildung nimmt einen zunehmenden Stellenwert ein. Studentische Praktika in den Unternehmen, Behörden und Einrichtungen der Region sind wie auch Diplomarbeiten oft der erste Schritt zu einer beruflichen Stellung. Kooperationen finden in vielfältigen Formen statt: von Prüfungsarbeiten zu von der Wirtschaft an die Universität herangetragenen Fragen über Kooperationsprojekte einzelner Lehrstühle mit Wirtschaftsunternehmen bis hin zur Kooperation in Wirtschaft und Wissenschaft verbindenden Clustern. Ihre Bedeutung nimmt in der modernen wissensbasierten Gesellschaft rapide zu, so dass die Universität sich um regelmäßige und intensive Kontakte zur regionalen Wirtschaft beständig bemüht.

Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Verflechtung von Universität und Region sowie zur Steigerung des Innovationspotenzials am Standort leisten zahlreiche Ausgründungen, sei es aus der Universität oder anderen Forschungsinstitutionen, maßgeblich unterstützt durch die Ausbildungs- und Coachingaktivitäten der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sowie durch das Büro für Forschungsförderung und Forschungstransfer, das als „One-Stop-Agency“ zur Gründungsberatung für die Gesamtuniversität ausgebaut wurde. Ausgründungen besitzen für die Friedrich-Schiller-Universität eine strategische Bedeutung: Sie stärken die Technologieregion, erhöhen die Nachfrage nach qualifiziert ausgebildeten Absolventen, intensivieren den Forschungsverbund Industrie-Hochschule und machen die Universität attraktiv für Studienanfänger, Doktoranden und Hochschullehrer. Damit wird in der Tradition von Abbe und Zeiss die Synthese von Grundlagenforschung, anwendungsorientierter Forschung mit Spitzenplätzen bei der Patentanmeldung und industrieller Umsetzung konsequent fortgeführt.
Nach der Wende, Schwerpunktbildung
Mit dem Neuaufbau nach der Wende hat die Universität das ehrgeizige Ziel verbunden, wieder in die erste Liga der europäischen Universitäten aufzusteigen. Die Neustrukturierung in zehn Fakultäten, bauliche Sanierungsmaßnahmen, der Aufbau einer schlanken, aber effizienten Verwaltung, eine von entscheidungshemmenden Ritualen der Gruppenuniversität freie Struktur der akademischen Selbstverwaltung halfen, günstige und stabile Bedingungen für eine stetige Aufwärtsentwicklung in Forschung und Lehre zu schaffen. Ein wichtiger Faktor war weiterhin die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft auf dem heute boomenden Campus Beutenberg. Die wichtigste Weichenstellung ist aber in einer auf Qualität setzenden Berufungspolitik in Verbindung mit einer zielgerichteten Nachwuchsförderung zu sehen. Die besten Köpfe für Jena – das ist und bleibt die Standortstrategie der Universität.
In konkret fünf Forschungsbereichen strebt die Universität in Kooperation mit Forschungsinstitutionen Jenas und der Region eine Spitzenstellung in Europa an: Photonik, Neue Materialien, Biotechnologie, sowie in den Forschungs-Schwerpunkten „Wissenschaft und kulturelle Muster“ (Geistes- und Sozialwissenschaften) sowie „Individuen und sozialer Wandel“ (Sozialwissenschaften und Ökonomie).
Diese Schwerpunkte bilden kein starres Korsett, sondern ein Gerüst für dynamische Interaktionen zwischen den verschiedenen Forschungsfeldern.
Herausforderungen der Gegenwart
Auf dieser Basis ist die Universität gut gerüstet, die wichtigsten Herausforderungen der Gegenwart zu meistern:
Die von der Bologna-Reform angestrebte Neuausrichtung der Ausbildungsstrukturen ist durch Umstellung von 80 Prozent der Studiengänge auf das Bachelor-Master-Format angegangen. Nun müssen die neuen Strukturen so ausgestaltet werden, dass sie mit dem akademischen Bildungsauftrag der Universität, der Förderung internationaler Mobilität sowie der Vermittlung extracurricularer Schlüsselqualifikationen kompatibel sind. Hierzu hat die Universität 2007/2008 eine Lehrinitiative gestartet. In der Pflege des wissenschaftlichen Nachwuchses hat die Universität durch Gründung der Jenaer Graduiertenakademie (2006) für die strukturierte Doktorandenausbildung einen großen Schritt in Richtung europäischer Exzellenzmaßstäbe getan. Die Schwerpunktbildung in der Forschung ermöglicht in ihren Querstrukturen die rasche Bildung von Netzwerken, welche die Wettbewerbsfähigkeit der Universität stärken und die Trias von interfakultativer, interinstitutioneller und internationaler Kooperation als identitätsbildende Innovationskraft der Friedrich-Schiller-Universität zur Geltung bringen.
Die Neuausrichtung der Leitungs- und Entscheidungsstrukturen stärkt die universitäre Autonomie durch ein ausbalanciertes Miteinander starker Gremien und einer starken Leitung bei schlanken Strukturen und flachen Hierarchien.
Die Universität ist auf gutem Weg, an die Spitzenstellung zu Beginn des 20. Jahrhunderts anzuknüpfen.
Der 1953 geborene Autor studierte Politikwissenschaft, Geschichte, katholische Theologie und Philosophie in Marburg und Tübingen. Nach seiner Promotion und Habilitation lehrte er an der FU Berlin und in Mainz. Der Professor für „Politische Theorie und Ideengeschichte“ ist Rektor der Universität Jena. Seit 2006 amtiert er auch als Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz.