
Abbildung 1: Faserverstärkte Kunststoffe (FVK) bieten hervorragende Leichtbaueigenschaften, weshalb sie in nahezu allen Industriebereichen zur Verbesserung der Produktperformance beitragen können.
Vor dem Hintergrund der weltweit fortschreitenden Industrialisierung und Urbanisierung sind umweltverträgliches und nachhaltiges Wirtschaften und Innovationen in den Schlüsselbereichen die zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Das in der Forschungsinitiative von Rheinland-Pfalz verankerte Thema „Komplexe Materialien und neue Werkstoffe“ ist dafür ein wichtiger Schwerpunkt. Fortschrittliche faserverstärkte Thermoplaste sind der Schlüssel zu entscheidenden Innovationen im Transport- und Verkehrswesen, in der Energiewirtschaft und im Gesundheitsbereich.
Faserverstärkte Kunststoffe (FVK) werden aufgrund ihres enormen Leichtbaupotenzials zunehmend in deutschen Schlüsselindustrien eingesetzt und leisten beispielsweise im Zusammenhang mit innovativen Mobilitätskonzepten entscheidende Beiträge zur Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit der Produkte. Die derzeit vorrangig eingesetzten duroplastischen faserverstärkten Kunststoffe erfordern allerdings aufwändige, meist unwirtschaftliche Fertigungsprozesse, sind nicht schmelzbar und daher nur sehr eingeschränkt rezyklierbar. Innovative thermoplastische faserverstärkte Kunststoffe, sogenannte thermoplastische Composites (TPC), überwinden diese Nachteile und erlauben es, geltende konstruktive Grenzen konventioneller Werkstoffe zu überwinden und die Leistungsfähigkeit einer Vielzahl von Produkten unterschiedlichster Anwendungsbereiche entscheidend zu verbessern. Die volle Ausschöpfung dieses Potenzials bedingt allerdings noch weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten.

Abbildung 2: Mechanische Leistungsfähigkeit von FVK im Vergleich (links), Darstellung der möglichen Gewichtsersparnis für CFK (rechts).
Deutlich wird der mögliche Entwicklungssprung mit TPC, wenn die mechanische Leistungsfähigkeit dieser Werkstoffe im Vergleich zu klassischen Leichtbau-Werkstoffen betrachtet wird. In Abbildung 2 ist deutlich zu sehen, dass bspw. kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) bedingt durch ihre hohen Steifigkeiten und Festigkeiten sowie die geringere Materialdichte erheblich leistungsfähiger sind als hochfeste Metalle. Dadurch kann bei Bauteilen Masse eingespart werden, insbesondere dann, wenn die Fasern quasi endlos vorliegen, also in ihrer Länge nur durch die Bauteilgröße selbst begrenzt sind, und wenn die Möglichkeiten zur Ausrichtung der Fasern entsprechend der Bauteilbelastung richtig ausgeschöpft werden. Basierend darauf kann ein Bauteil aus CFK je nach Anwendungsfall nur noch ein Viertel der Stahlausführung wiegen. Aus diesem Massevorteil resultieren im Transportwesen Kraftstoffersparnisse, geringere Emissionen und Reichweitenvorteile.

Abbildung 3: Globaler Bedarf an carbonfaserverstärktem Kunststoff (in 1000 t) *Schätzung Quelle: CCeV Marktbericht 2015.
Treiber der Entwicklung ist u. a. der zunehmende FVK-Einsatz in der Automobilherstellung. BMW setzt FVK nicht nur für Elektrofahrzeuge, sondern auch bereits in der Großserie (7er-Reihe) ein. Auch Audi, VW, Porsche und andere OEMs bauen sukzessive ihre Leichtbauzentren aus, um die FVK-Technologie vermehrt in die Großserie zu bringen. Für die Zuliefererindustrie ist ebenfalls ein sehr großes Wachstumspotenzial gegeben, da Zulieferer mit neuen Produktionstechnologien ihr Produktportfolio erweitern können. Auch der Windenergiemarkt führt zu einem Entwicklungsschub. Er zeigt stabile Wachstumsraten und Deutschland gehört zu den Hauptexporteuren von Windkraftanlagen.

Abbildung 4: Spriform-Träger für den Einsatz im Automobil, eine gemeinsame Entwicklung von Audi AG, Bond-Laminates GmbH, Jacob Plastics GmbH, KraussMaffei Technologies GmbH, LANXESS Deutschland GmbH und dem Institut für Verbundwerkstoffe in Kaiserslautern; BMBF Förderkennzeichen 02PU2351
Trotz dieser beeindruckenden Zahlen stößt der Einsatz von FVK an Grenzen, welche sich vor allem daraus ergeben, dass FVK in der Serienfertigung meist auf duroplastischen Kunststoffen basieren, die chemisch irreversibel vernetzen. Duromere sind am Markt etabliert, aber eine breitere Verwendung im Massenmarkt ist gehemmt u.a. durch
• hohe Kosten endlosfaserverstärkter Halbzeuge,
• vergleichsweise lange Taktzeiten und
• stark eingeschränkte werkstoffliche Wiederverwendbarkeit.
Heute werden trotz technologischer Überlegenheit gegenüber konventionellen Werkstoffen FKV oft nicht verwendet, da ihr Einsatz schlicht noch nicht wirtschaftlich sinnvoll ist. Insbesondere die hohen Kosten für die Herstellung müssen deswegen reduziert werden. Der größte Forschungsbedarf wird laut einer aktuellen Studie des VDI in den Bereichen Recycling, Simulation, Design, Verbindungstechnik, Fügeflächenbehandlung und der zerstörungsfreien Qualitätssicherung gesehen.

Abbildung 5: Thermoplast-Tapelegekopf, mit dem eine optimale Bauteilfertigung mit Endlosfaserverstärkung möglich ist (Institut für Verbundwerkstoffe, Kaiserslautern)

Abbildung 6: Effiziente Fügetechnik auf Basis des voll automatisierten Induktionsschweißens (Institut für Verbundwerkstoffe, Kaiserslautern)
• schmelzbar,
• schweißbar,
• umformbar,
• werkstofflich rezyklierbar und
• in sehr kurzen Taktzeiten und damit in Großserie herstellbar.
Thermoplastische Halbzeuge lassen sich außerdem zeitlich unbegrenzt lagern. Zusammen mit den oben genannten Vorteilen eröffnen sich daraus Möglichkeiten zu wirtschaftlich sehr attraktiven Verarbeitungsverfahren und -kombinationen. Dennoch sind sie derzeit erst in vergleichsweise wenigen Anwendungen in Massenmärkten verfügbar. Mit den richtigen Entwicklungsansätzen allerdings, wie sie in Rheinland-Pfalz verfolgt werden, können die noch offenen Forschungs- und Entwicklungslücken geschlossen werden. So überwiegen die Vorteile, TPC werden auf breiter Basis gegenüber konventionellen Werkstoffen konkurrenzfähig und stehen für umweltfreundliche, sparsame, leichte und sichere Automobile der Zukunft zur Verfügung.
Prof. Dr.-Ing. Ulf Breuer
Der Autor hat Maschinenbau in Darmstadt, Manchester und Kaiserslautern studiert und 1997 promoviert. Anschließend war er für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR und für Airbus tätig. Seit 2010 ist er Professor an der Technischen Universität Kaiserlautern und Geschäftsführer der Institut für Verbundwerkstoffe GmbH.