Im Übergang zwischen Rheintal und Odenwald gelegen, bildete das Schloss den Kern der 1330 zur Stadt erhobenen Siedlung „Darmundestat“. Sie erstreckte sich zunächst nach Osten auf hügeligem Gelände, um sich im 18. Jahrhundert in die Rheinebene auszubreiten. Während das Schloss gegenüber dem Marktplatz mit Rathaus und Stadtkirche heute wie ein Freilichtmuseum den Stilwandel der Epochen präsentiert, kann man vom Jagdschloss Kranichstein im Norden bis zur Orangerie im Süden weitere repräsentative Bauten der Landgrafen bewundern, reizvoll in Gärten und Parkanlagen eingebettet.

Mit der Ernennung von Ludewig I. zum Großherzog und der Vergrößerung seines Herrschaftsgebiets gewann Darmstadt ab 1806 an Bedeutung. Die von Baumeister Georg Moller entworfene Ludwigssäule auf dem Luisenplatz, das klassizistische Theater am Herrngarten, heute Staatsarchiv, sowie die Ludwigskirche mit ihrer imposanten Kuppel am Wilhelminenplatz sind einprägsame Zeugnisse des Ausbaus der Residenzstadt. In den folgenden Jahrzehnten erhielt Darmstadt durch die fortschreitende Industrialisierung, neue Verkehrsanlagen, gründerzeitliche Wohnquartiere mit opulentem Fassadenschmuck und schließlich auch die Neubauten der Technischen Hochschule den Charakter einer Großstadt. Mit dem Bau des Landesmuseums 1906 sowie des Hauptbahnhofs ab 1907 wurden wirkungsvoll Zeichen für den Aufbruch in die Moderne gesetzt, der indes bereits an anderer Stelle durch provokant unkonventionelle Bauten der Weg bereitet worden war.
Zur Förderung der Möbelindustrie und des hessischen Kunsthandwerks hatte Großherzog Ernst Ludwig 1898 die Künstlerkolonie gegründet, die 1901 mit der Ausstellung „Ein Dokument
deutscher Kunst“ international Aufsehen erregte. Die dem Jugendstil zugerechneten, von Joseph Maria Olbrich entworfenen Häuser mit Atelierbau auf der Mathildenhöhe zogen Gäste aus aller Welt an: Sie konnten nicht nur neueste Tendenzen der Architektur, sondern bis hin zum Mobiliar und Besteck die Vision einer neuen Wohnkultur und Lebensform entdecken. In den folgenden Jahren wurde das Ensemble mit Platanenhain und Russischer Kapelle durch weitere Bauten ergänzt. Seit der Hessischen Landesausstellung 1908 ist der ebenfalls von Olbrich entworfene Hochzeitsturm als Stadtkrone das weltweit bekannte städtische Merkmal. Darmstadt gilt durch die Initiative des Großherzogs sowie das bis heute als Touristenattraktion wirksame Gesamtkunstwerk von Künstlern wie Camillo Albinmüller, Peter Behrens, Bernhard Hötger, Ludwig Habich und Olbrich als Zentrum der europäischen Lebensreformbewegung um 1900.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der verheerenden Brandnacht im September 1944 war die Stadt ein Trümmerfeld, die Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern bis auf die Fundamente niedergebrannt.
Es brauchte Jahre, bis die Stadt im Aufbau wieder Gestalt gewann. Historisch bedeutsame Bauten wie das Schloss, das Rathaus, die Stadtkirche, das Landesmuseum und zahlreiche andere Gebäude wurden wieder hergestellt. Teile der ehemaligen Altstadt wurden in schlichten Bauformen als Wohnort und Geschäftszentrum neu errichtet, ein anderer Teil für Neubauten der Technischen Hochschule zur Verfügung gestellt, die sich zur Stadtmitte hin ausweiten konnte. Markante Plätze, Straßenzüge und Parkanlagen blieben erhalten, sodass heute trotz dieses tiefen Einschnitts in die Stadtgeschichte die verschiedenen Epochen sowohl im Stadtgrundriss als auch in signifikanten Bauten weiterhin ablesbar sind.
In Erinnerung an die Ausstellung von 1901 wurden 1951 international bekannte Architekten mit Entwürfen für „Meisterbauten“ beauftragt, von denen einige verwirklicht wurden: Otto Bartnings Frauenklinik an der Bismarckstraße, Ernst Neuferts Ledigenwohnheim an der Mathildenhöhe, Hans Schwipperts Georg-Büchner-Schule an der Lichtwiese und Max Tauts Ludwig-Georgs-Gymnasium in der Stadtmitte gelten bis heute als Ikonen der Nachkriegsmoderne, ebenso wie andere im Wiederaufbau maßstabsetzende Gebäude, etwa die Kunsthalle an der Rheinstraße oder das Merck-Haus am Luisenplatz, beide entworfen von Theo Pabst.
Unter dem neuen städtebaulichen Leitbild der „Urbanität durch Dichte“ entstanden ab 1960 Hochschulbauten wie das Verwaltungsgebäude der Technischen Hochschule (TH), das zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch ein großes Foyer die Selbstdarstellung der TU als offene Universität in der „Wissenschaftsstadt“ dokumentiert. Dieses neue Ensemble am Herrngarten wurde ergänzt durch das extravagante Wissenschafts- und Kongresszentrum, das in der Reihe der Solitäre östlich des Schlosses durch seine spektakuläre Form einen markanten Akzent setzt und zugleich in der Anlage umgebender Freiräume den Auftakt zur Erich-Ollenhauer-Promenade als Weg zur Mathildenhöhe markiert. Im Zuge wachsender Städtekonkurrenz und des Stadtumbaus der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts wurden die „City“ Darmstadts durch das Luisencenter und die kulturelle Bedeutung der Stadt durch den Neubau des Staatstheaters gestärkt, das nach der Sanierung, Errichtung neuer Eingangsbauten und Neugestaltung des Georg-Büchner-Platzes gegenwärtig eine höchst attraktive Umgebung erhält.
Von besonderer Bedeutung für die Lebensqualität und das Erscheinungsbild der Stadt sind jedoch auch die zahlreichen Siedlungsbauten, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, darunter auch die zur Erprobung experimenteller Wohnformen errichteten Häuser in der Großsiedlung Neu-Kranichstein.

Architektonisch bemerkenswert ist zudem das neue Quartier, das auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofs nördlich des Rhönrings entstand, ergänzt durch die pittoreske Wohnanlage der „Waldspirale“, erbaut nach Skizzen des Wiener Künstlers Friedensreich Hundertwasser, der mit Wohnturm und vergoldeter Kuppel der Russischen Kapelle eine weithin sichtbare Reverenz erweist. Neue urbane Perspektiven eröffnen überdies die Pläne zur Umnutzung und Modernisierung der einst von amerikanischen Besatzungsbehörden eingerichteten Kasernen und Siedlungsgebiete.
So bietet Darmstadt dem baukulturell interessierten Besucher bei der Erkundung der Stadtgeschichte immer wieder neue Entdeckungen und Überraschungen. Dabei sollte die Aufmerksamkeit nicht nur den Bauten, sondern auch der vielfältig reizvollen Landschaft gelten: auf dem Weg vom Rheintal durch die Stadt zur Mathildenhöhe, durch das Löwentor über die Rosenhöhe bis in die Weite des Oberfelds zwischen den Hügeln des Odenwalds.
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Werner Durth ist ein deutscher Architekt, Soziologe und Architekturhistoriker. Er ist Professor für das Fachgebiet Geschichte, Theorie und Architektur (GTA) an der Architekturfakultät der TU Darmstadt. Studiert hat er Architektur und Stadtplanung sowie Soziologie und Philosophie. Werner Durth wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Schelling-Architekturpreis für Architekturhistoriographie und dem Fritz-Schumacher-Preis für sein Lebenswerk.