Die Region um das Optikzentrum Jena ist ein international einzigartiges Firmen- und Forschungscluster zur Herstellung und Anwendung optischer Spezialfaser. Dabei gibt es neben den Herstellern optischer Fasermaterialien und Fasern vielfältige weitere Anwender und Systemintegratoren.
Optische Glasfasern haben in den letzten Jahrzehnten unsere Form der technischen Kommunikation revolutioniert und das moderne Internet erst möglich gemacht. Heute werden daher jährlich über 250 Mio. km Glasfasern für die optische Kommunikationstechnik produziert. Aus den Entwicklungen moderner optischer Fasern heraus haben sich darüber hinaus inzwischen zahlreiche weitere Anwendungsrichtungen mit hohem Marktpotential und Wachstumsraten außerhalb der Telekommunikationstechnik gebildet. Neue Anwendungen eröffnen sich z. B. in der faseroptischen Sensor- und Messtechnik, Beleuchtung, Medizintechnik und Materialbearbeitung.
Derartige neue Applikationen erfordern dazu hoch spezialisierte Fasern mit maßgeschneidertem Eigenschaftsprofil. Klassische optische Fasern bestehen aus einem lichtführenden Kern und einem den Kern umgebenden Mantel. Um die hocheffiziente optische Lichtleitung zu ermöglichen, muss dazu der Kern andere optische Eigenschaften (etwa einen höheren optischen Brechungsindex) als der Mantel besitzen. Zusätzlich wird eine Hülle auf der Faser aufgebracht, meist aus einem Polymerwerkstoff, der dem mechanischen und chemischen Schutz der Faser dient. Die Herstellung der Faser erfolgt dabei meist aus einer sogenannten Preform. Diese Preform besitzt die Struktur der späteren Faser in stark vergrößertem Maßstab und kann etwa durch Abscheidung von unterschiedlich dotierten Glasschichten auf der Innenseite einer Glasröhre aus einem Gas bei hohen Temperaturen erfolgen (Abb. 1). Die Preform wird dann in einem Faserziehturm zur eigentlichen Faser verzogen (Abb. 2). Typische Faserdurchmesser liegen dabei bei etwa 125µm, was etwas dicker als ein normales Haar ist.
Die Funktionalität solcher optischer Fasern kann nun in weiten Bereichen verändert werden durch die Verwendung besonderer Glasmaterialien, durch die Variation des Brechungsindexes innerhalb der Faser, durch Strukturierung des Faserquerschnittes (z.B. mit Hohlräumen als mikrostrukturierte Faser oder photonische Kristallfaser), durch die lokale Strukturierung und durch geeignete Beschichtung von Fasern (Abb. 3). Durch solche Spezialfasern können völlig neue Anwendungsfelder erschlossen werden wie die faseroptische Sensorik und Messtechnik, die endoskopische Bildgebung und spektroskopische Analytik, die Beleuchtung in der Mikroskopie und Medizin, die Materialbearbeitung und die Prozesskontrolle. Dabei profitiert die Faser von ihren spezifischen Eigenschaften wie miniaturisierte Größe, hohe Beständigkeit in aggressiven Umgebungen oder Unempfindlichkeit gegen hohe elektrische Spannungen und elektromagnetische Felder.
Sensorische Funktionen in optischen Fasern können gezielt durch geeignete Beschichtungen oder durch spezielle lokale Strukturierungen erreicht werden. Metallische Schichten in optischen Fasern können empfindliche plasmonische Messungen von Schichtreaktionen ermöglichen, wie sie beispielsweise zur biologischen Detektion von Antikörper-Reaktionen in der Medizin benötigt werden (Abb. 4). Mit modernen Strukturierungstechniken wie fokussierten Ionenstrahlen kann in einer optischen Faser ein Mikrointerferometer integriert werden, um damit die spektralen oder refraktiven Eigenschaften in kleinsten Probenvolumina zu detektieren (Abb. 5). Die optische Photosensitivität von optischen Glasmaterialien kann zur Einbelichtung von Fasergittern in den optischen Kern einer Faser genutzt werden. Die periodischen Änderungen des Brechungsindex wirken dann wie ein sehr wellenselektiver Spiegel und ermöglichen eine Temperatur-, Dehnungs- oder Vibrationsmessung (Abb. 6). Dies wird erfolgreich bei der Strukturüberwachung eingesetzt und wird in Zukunft auch „intelligente“ Materialien ermöglichen, bei denen eine solche Sensorfunktion bereits im Inneren integriert ist (Abb. 7).
Neben der Übertragung und Verarbeitung optischer Signale können optische Fasern auch zur Erzeugung von Licht und damit als Lichtquelle wirken. Beispiele dazu sind Faserlaser und Faser-Superkontinuumsquellen (Abb. 8). Faserlaser zeichnen sich durch große Effizienz und Stabilität sowie durch eine hervorragende Strahlqualität in Verbindung mit hohen optischen Leistungen aus und können auch in ihrer Laserwellenlänge über größere Bereiche durchgestimmt werden. Sie werden daher insbesondere in der Materialbearbeitung und in der Markierungstechnik sehr erfolgreich eingesetzt. Faser-Superkontinuumsquellen ermöglichen eine enorm spektralbreitbandige Lichtstrahlung innerhalb kleiner Faserkerne. Solche Lichtquellen sind insbesondere in der spektroskopischen Messtechnik und Analytik und in der scannenden Mikroskopie von großem Interesse. Sie ermöglichen empfindliche Detektionen in Verbindung mit kleinsten Probenvolumina und mit hoher örtlicher Auflösung.
Die regionale Industrie nutzt solche Möglichkeiten bereits heute und verfolgt eine Strategie, mit speziell angepassten Spezialfasern diese Marktfelder künftig gezielt und unter Nutzung einer umfassenden Wertschöpfungskette auszubauen.
Prof. Dr. Hartmut Bartelt
Der Autor studierte Physik an den Universitäten Karlsruhe und Erlangen-Nürnberg. Nach Promotion und Habilitation war er am Forschungszentrum Erlangen der Siemens AG beschäftigt. Im Jahr 1994 wurde er an die Universität Jena zum Professor für Moderne Optik berufen und arbeitet am heutigen Leibniz-Institut für Photonische Technologien auf dem Gebiet der Faseroptik. Von 1999 bis 2006 leitete er das Institut als wissenschaftlicher Direktor und ist seit 2006 stellvertretender Direktor.