Mehr Spitzenforschung in Deutschland will die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern in den kommenden Jahren ermöglichen. 1,9 Milliarden Euro Fördergelder stehen dafür bundesweit bis 2012 zur Verfügung – Mittel, die dazu beitragen sollen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen deutlich zu verbessern.
In einem mehrstufigen Verfahren hat das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) einberufene internationale Gutachtergremium 2007 an der Universität des Saarlandes sowohl dem Antrag auf ein Exzellenzcluster zum Thema „Multimodal Computing and Interaction“ als auch dem Konzept einer internationalen Graduiertenschule für Informatik den Zuschlag erteilt.
Zusammen werden die beiden Einrichtungen von Bund und Ländern damit für die kommenden fünf Jahre mit rund 40 Millionen Euro gefördert.
Aufbruch in die Wissensgesellschaft
Ausgangspunkt des Exzellenzclusters ist die Beobachtung, dass sich unsere Lebens- und Arbeitsumstände in den letzten drei Jahrzehnten dramatisch verändert haben – gemeinhin beschrieben als Aufbruch in die Wissensgesellschaft. Digitale Inhalte sind heute allgegenwärtig. Vor zehn Jahren bestanden solche Inhalte überwiegend aus Text, heute sind sie erweitert um Audio, Video und Grafik. Als Herausforderung ergibt sich, diese multimodale Information auf robuste, effiziente und intelligente Weise zu organisieren, zu verstehen und zu durchsuchen sowie zuverlässige Systeme mit intuitiven multimodalen Interaktionsmöglichkeiten zu schaffen.
Der Exzellenzcluster „Multimodal Computing and Interaction“ stellt sich dieser Herausforderung. Hierbei bezeichnet der Begriff „multimodal“ sowohl die unterschiedlichen Arten von Information wie Text, Sprache, Bilder, Video, Grafik und hochdimensionale Daten wie auch die Art der Wahrnehmung und Kommunikation, insbesondere durch Sehen, Hören und menschlichen Ausdruck.
Multimodale Verarbeitung und Interaktion
Die tägliche zwischenmenschliche Kommunikation beruht auf einer Vielzahl unterschiedlicher Modalitäten (Sprache, Mimik, Gestik und so weiter). Erstes Forschungsziel ist eine ähnliche natürliche multimodale Interaktion mit Informationssystemen, und zwar überall und zu jeder Zeit. Die Systeme müssen den Umgebungskontext berücksichtigen, auf Sprache, Text und Gesten reagieren und mit Sprache, Text, Video, virtuellen Darstellungen oder mittels virtueller Charaktere antworten.
Zweites Forschungsziel ist es, die Fähigkeiten von Computersystemen zu verbessern, Daten ganz unterschiedlicher Modalitäten effizient und robust zu erfassen, zu verarbeiten und darzustellen. Auch große, verteilte, verrauschte und unvollständige multimodale Daten sollen analysiert und interpretiert werden; das erfasste Wissen soll aufbereitet und in Echtzeit visualisiert werden. Wir bezeichnen dies als multimodale Verarbeitung.
An dem Exzellenzcluster sind Informatiker, Computerlinguisten, Linguisten, Phonetiker, Bioinformatiker, ferner auch Psychologen und Soziologen, beteiligt. Der Cluster gliedert sich in neun Forschungsgebiete.
Vier davon (Text and Speech Processing, Visual Computing, Algorithmic Foundations, Secure Autonomous Networked Systems) sind stärker grundlagenorientiert, während die anderen fünf (Open Science Web, Information Processing in the Life Sciences, Large-Scale Virtual Environments, Synthetic Virtual Characters, Multimodal Dialogue Systems) sich stärker an Anwendungen orientieren. Der Cluster umfasst die führenden deutschen Fachbereiche für Informatik beziehungsweise Computerlinguistik und Phonetik der Universität des Saarlandes, das Max-PlanckInstitut für Informatik, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz sowie das neu gegründete Max-Planck-Institut für Softwaresysteme. Ein zentrales Ziel des Clusters ist die Qualifikation und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Der überwiegende Teil der beantragten Mittel ist deshalb für die Einrichtung von 20 Nachwuchsgruppen vorgesehen. Die beteiligten Einrichtungen haben sich auf ein gemeinsames und langfristiges Forschungsprogramm verständigt, das die Grundlage dieses Vorhabens bildet.
Prof. Dr. Hans-Peter Seidel ist seit 1999 wissenschaftlicher Direktor am Max-Planck-Institut für Informatik sowie Professor an der Universität des Saarlandes. Seit 2007 ist er Sprecher des Exzellenzclusters „Multimodal Computing and Interaction“. Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde Prof. Dr. Hans-Peter Seidel 2003 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet.