Forschungspriorität, Interdisziplinarität, Innovation, Regionalität und Internationalität bilden die Grundpfeiler der Lehre an der Technische Universität Hamburg-Harburg, denn nur durch die enge Verzahnung von Praxis und Forschung lassen sich die Herausforderung der Zukunft meistern.
Die Herausforderungen, vor denen wir gegenwärtig in Deutschland stehen, sind gewaltig: Nachhaltige Energiewende, Klimaschutz, Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, Ressourcenknappheit, Entwicklung der Weltbevölkerung und Integration von Flüchtlingen in Europa, Deutschland und Hamburg. Diese Herausforderungen in Chancen zu verwandeln, kann nur durch einen engen Schulterschluss von Wissenschaft und Wirtschaft gelingen. Denn unser wichtigster Zukunftsgarant ist ein naturwissenschaftlich-technisch hervorragend ausgebildeter Nachwuchs, mit einem Rüstzeug, das die gesellschaftliche Entwicklung maßgeblich voranbringen kann.
Nehmen wir das Beispiel Hamburg mit seiner einzigen Technischen Universität, der TUHH: Welche Chancen und Perspektiven können sich aus einer Zusammenarbeit für die Entwicklung des Innovationsstandortes ergeben?
Die TUHH erforscht und entwickelt „Technik für Menschen“. Sie setzt dies in ihren drei Kompetenzfeldern „Life Science“, „Aviation and Maritime Systems“ und „Green Technologies“ um. Entscheidend ist hier die Erkenntnis, dass zur konsequenten Umsetzung dieser Schwerpunkte zwei Querschnittstechnologien ausgebaut werden müssen, die diese unterfüttern: Materialwissenschaften und Digitalisierung haben an der TUHH einen besonderen Stellenwert und wirken in alle drei Kompetenzfelder hinein. Hier bestünde eine elementare Chance für Wachstum und Innovation in einer von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam erarbeiteten Digitalisierungsstrategie des Landes.
Green Technologies in Hamburg: Es steht außer Frage, dass der Erfolg der Hamburger Energiewirtschaft zukünftig in besonderem Maße von der Digitalisierung beeinflusst werden wird. Genau genommen wird das Jahrhundertprojekt Energiewende ohne Digitalisierung nicht funktionieren. Für Hamburg werden sich aber überproportional große Entwicklungspotenziale gerade im Bereich der Windkraft ergeben. Voraussetzung ist, dass die Produktion und Verteilung der Windenergie direkt vor Ort kanalisiert wird. Günstigere Energie wird neue Unternehmensansiedlungen erlauben und Arbeitsplätze schaffen. Insofern können wir von spezifischen Standortfaktoren profitieren, wenn es uns gelingt, die wissenschaftlich-technischen Voraussetzungen für die effiziente Windenergiegewinnung und -verteilung zu schaffen.
Aviation and Maritime Systems in Hamburg: Hier spielen verschiedene Themen eine wichtige Rolle, die in Hamburg weiterzuführen und zu entwickeln sind. Bauen im und am Wasser, Hafenplanung und -bau oder auch Offshore-Windenergie, haben Tradition und sind nicht wegzudenken. Hinzu kommen Zukunftsfelder wie Luftfahrt, Logistik und Mobilität, die es zu stärken gilt. Auch darf die Informatik, die insbesondere auf die Ingenieurswissenschaften ausgerichtet sein sollte, nicht aus dem Blick geraten. Sie wird sowohl für die Weiterentwicklung des Hafens (smart port, smart logistics), wie auch für die Entwicklung der Elbmetropole als nachhaltige und lebenswerte Stadt (smart city, digitale Stadt) von Bedeutung sein.
LifeScience Technologies in Hamburg: Hamburg bietet herausragende Möglichkeiten Forschung auf Spitzenniveau in der Medizintechnik mit diesem wichtigen Wirtschaftszweig zu verbinden. Die TUHH und das Zentrum für Medizintechnik des UKE kooperieren und arbeiten bereits gemeinsam in den Themenfeldern Bildgebung, Robotik und Patientenüberwachung außerhalb von Krankenhäusern. Selbstverständlich ist in diesem Bereich keine Forschung ohne das DESY denkbar.
Die TUHH bringt viel mit: „Technik für Menschen“ erschöpft sich also nicht alleine in den Kompetenzfeldern der TUHH. Dem Humboldtschen Bildungsideal verpflichtet, gilt es genauso das Augenmerk auf diejenigen Menschen zu richten, die als Nachwuchskräfte hervorragend ausgebildet werden sollen, um im Anschluss an die Universität in Wirtschaft und Wissenschaft verantwortungsvolle Positionen zu übernehmen.
„We shape future engineers world needs most“ – das ist die Maxime der modernen Lehre an der TUHH, die dabei mehrere Aspekte im Blick hat: Einerseits problembasiertes Lernen, das Teamfähigkeit, Interesse und Verständnis fördert, dann die Ausbildung in nicht-technischen Fächern und gezielte Maßnahmen zur Senkung der Abbrecherquote und zur Integration aller Studienanfänger an der TUHH.
Der Wettbewerb um kluge, motivierte Köpfe macht auch vor Technischen Universitäten nicht halt. Umso wichtiger ist es, dass sich die TUHH hier beispielhaft aufgestellt hat: Weg von universitärem Lehren und Lernen in Großveranstaltungen, hin zu kleineren Gruppen – ein klares Profil in der Lehre ist gerade für mittelgroße Universitäten als Profilierungsmerkmal wichtig.
Auch in der Lehre gilt darüber hinaus, was für die Forschung bereits ausgeführt wurde: Die Digitalisierung der Bildung beeinflusst die Universitäten bereits jetzt, dieser Trend wird sich fortsetzen. Mit der Hamburg Open Online Universität setzen die Hamburger Hochschulen ein wichtiges Zeichen der Entwicklung: In kleinen, interdisziplinären Gruppen können hier weltweit Aufgaben gelöst werden. Bildung wird demokratisiert und leichter zugänglich, ohne dass die Universitäten um ihre Alleinstellungsmerkmale fürchten müssen.
Für die Entwicklung des Hamburger Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts bringen wir als Wissenschaftspartner viel mit. Deshalb ist die Notwendigkeit von starken Technischen Universitäten mit ihrem spezifischen Bildungsauftrag größer denn je: Nur mit einer Forschung und Lehre auf Spitzenniveau kann die Wirtschaft dauerhaft konkurrenzfähig bleiben. Und darüber hinaus kann nur auf der Basis des so erwirtschafteten Wohlstands der notwendige Diskurs zur nachhaltigen Weiterentwicklung unserer Gesellschaft ermöglicht werden.
Prof. Dr. Dr. h.c. Garabed Antranikian
Der Autor ist seit 2011Präsident der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH). Nach einem Studium der Biologie an der Universität in Beirut in den Jahren 1970 bis 1976 und der Promotion am Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Göttingen 1980 habilitierte er sich 1988 im Fachgebiet Mikrobiologie. Seit 1989 forscht und lehrt er als Professor für Technische Mikrobiologie an der TUHH und leitet dort seit 1990 das Institut für Technische Mikrobiologie