Seit dem Ausbruch der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise vor nun mehr als zwei Jahren steht der Finanzplatz Schweiz unter grossem Druck. Stichworte wie Rettungspaket, graue Liste, Bankgeheimnis und Steuerstreit mit den USA beherrschten die Schlagzeilen der in- und ausländischen Zeitungen. Der Finanzplatz ist insbesondere in den letzten zwölf Monaten stark unter Beschuss geraten. Die öffentliche Kritik ist jedoch übertrieben, denn die Schwarzmaler übersehen ein gewichtiges Detail: Die Schweiz hat die Krise im internationalen Vergleich sehr gut gemeistert. Mit einer gewichtigen Ausnahme war keine Schweizer Bank von der globalen Finanzkrise signifikant betroffen, viele gehen sogar gestärkt daraus hervor. Schaut man über unsere Landesgrenzen hinaus, zeigt sich ein um Welten düstereres Bild. Allein in den USA mussten seit Ausbruch der Krise mehr als hundert Banken Konkurs anmelden. Viele Banken in Europa sind weiterhin nicht ohne staatliche Hilfe überlebensfähig, ja sie sind sogar auf immer neue Mittel angewiesen. Ganz im Gegensatz zur grössten Schweizer Bank, die bereits wieder auf eigenen Füssen steht und deren Rettung den Steuerzahler keinen Rappen gekostet hat, sondern sogar einen Milliardenbetrag in die Staatskasse spülte. Als Folge der Finanzkrise mussten viele Staaten eine rekordhohe Neuverschuldung in Kauf nehmen, derweil die Staatsfinanzen der Schweiz gesund sind. Die geringe erwartete Verschuldungsquote von 46 Prozent des BIP und die grosse Stabilität des Bankenplatzes werden in Zukunft entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes beitragen. Weiter besitzt der Schweizer Finanzplatz Kernkompetenzen, die sonst kein anderes globales Finanzzentrum aufweist. Swiss Banking verkörpert traditionelle Werte unseres Landes wie die politische, soziale und wirtschaftliche Stabilität, Internationalität, Innovationsfähigkeit sowie hohe Servicequalität.
Der Schweizer Finanzplatz ist ein Cluster, der sich durch einzigartiges Know-how in allen Facetten des Banking, von der Vermögensverwaltung bis zum Investment Banking, vom Asset Management bis zu Private Equity, auszeichnet.
Der Finanzplatz ist ein Wachstums- und Innovationsmotor für die ganze Schweizer Wirtschaft, trägt er doch zwölf Prozent zur Wertschöpfung des Landes bei. Außerdem bietet er fast 200.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine attraktive Arbeitsstelle.
Um aus diesen Stärken optimal Kapital zu schlagen, hat der Schweizer Finanzplatz in den letzten Monaten eine Vorwärtsstrategie entwickelt mit dem Ziel, den volkswirtschaftlich so bedeutenden Finanzsektor nachhaltig zu stärken. Es gilt nicht, das Rad neu zu erfinden, sondern optimale und zielgerichtete Rahmenbedingungen zu schaffen. Neben der Aufrechterhaltung der traditionellen Werte wie Stabilität und Rechtssicherheit müssen die Rahmenbedingungen für den Finanzplatz, zum Beispiel durch die Abschaffung der Stempelsteuer oder im Bereich der kollektiven Kapitalanlagen, stets angepasst werden um so seine Attraktivität zu stärken. Ein spezielles Augenmerk gilt es auch auf die Ausbildung zu legen, ist das Humankapital doch einer unserer grössten Trümpfe im internationalen Vergleich.
Im Bereich der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung, in dem die Schweiz mit der Annahme der OECD-Regeln den internationalen Standard in der fiskalischen Zusammenarbeit übernahm, hat die Bankiervereinigung ebenfalls eine neue Strategie entwickelt, die es erlaubt, gleichzeitig den Interessen ausländischer Steuergesetzgebungen sowie denjenigen des Schweizer Finanzplatzes gerecht zu werden. Diese Strategie, die von den Schweizer Behörden unterstützt wird, wird bilateral ausgehandelt werden und die folgenden Bedingungen respektieren. Erstens muss der Schutz der Privatsphäre von Bankkunden gewährleistet bleiben, ist das Vertrauen und der Respekt zwischen Bürger und Staat doch ein wesentliches Merkmal unseres Staatsverständnisses. Den automatischen Informationsaustausch lehnen die Akteure des Finanzplatzes ebenso wie die breite Bevölkerung entschieden ab. Zweitens müssen die bestehenden Konti im Verhältnis zum Fiskus ausländischer Staaten regularisiert werden, ohne dabei einer Repatriierungspflicht zu unterstehen. Wir müssen den Kunden die Möglichkeit eröffnen, eine Brücke zur Steuerehrlichkeit zu bauen.
In diesem Sinne, als dritter Pfeiler, ist die Schweiz bereit, eine bessere Besteuerung des ausländischen Kapitals und dessen Erträge sicherzustellen. Dies soll mittels der Einführung einer Abgeltungssteuer erreicht werden.
Ausländische Staaten erhalten so direkt Steuersubstrat, das in Zeiten überbordender Fiskaldefizite sicher willkommen ist. Gleichzeitig bleibt die Privatsphäre unbescholtener Bürger gewahrt. Zusätzlich werden sich Schweizer Banken in Zukunft auf die Anwerbung von steuerkonformen Geldern konzentrieren. Zu guter Letzt setzt sich der Schweizer Finanzplatz für die Verbesserung des Marktzugangs für die Erbringung von Finanzdienstleistungen aus der Schweiz ein. Der hiesige Finanzplatz ist durch Offenheit gegenüber dem Ausland und eine vorbildliche Regulierung charakterisiert. In diesem Sinne und vor allem auch im Zuge der Übernahme des international gültigen OECD-Standards in der Amtshilfe sind unilaterale Diskriminierungen zwischen eng verbundenen Handelspartnern inakzeptabel und gehören beseitigt.
Das Gelingen dieser Vorwärtsstrategie hängt auch von jedem Einzelnen ab. Vertrauen ist das wichtigste Gut des Bankiers und der Finanzplatz Schweiz muss alles Erdenkliche unternehmen, um dieses Vertrauen nach der weltweiten Finanzkrise neu zu beleben.
Bankier zu sein ist nicht einfach nur ein Beruf. Bankier zu sein ist ein Engagement, eine Mission im Dienste des Kunden.
Jeder Mitarbeiter, vom Geschäftsleitungsmitglied bis zum Kundenberater, muss eigenverantwortlich zum Nutzen des Kunden und somit zum Wohle der Allgemeinheit beitragen. Werte wie Nachhaltigkeit, Berechenbarkeit, Partnerschaft und Masshalten müssen wieder zu Leitmotiven unseres Handelns werden. Durch den Erhalt dieser Werte wird die Schweiz im Konzert der internationalen Finanzplätze weiterhin einen Spitzenplatz einnehmen und über einen starken und diversifizierten Finanzsektor verfügen.
Die Schweizer Banken, mit ihrer jahrhundertealten Tradition, werden die Herausforderungen annehmen, die nach der Finanzkrise auf sie warten. Es ist nicht das erste Mal, dass sie sich in einem schwierigen Umfeld behaupten müssen, und gewiss nicht das letzte Mal. Die neue Strategie wird die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes in der globalisierten Welt stärken und zur Prosperität der Finanzbranche und des ganzen Landes beitragen. Vertrauen und Verlässlichkeit sind seit jeher unsere Stärken. Der Moment ist gekommen, um Bewährtes zu stärken und Neues zu wagen. Gelingt uns dies, wird der Finanzplatz auch in Zukunft seine grosse volkswirtschaftliche Bedeutung wahrnehmen.
Patrick Odier (Jahrgang 1955) hat in Genf und Chicago Wirtschafts- und Finanzwissenschaften studiert. Odier ist seit September 2009 Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung SwissBanking und bereits seit Juli 2008 Senior Partner bei Lombard Odier Darier Hentsch & Cie. Zudem ist er stellvertretender Vorsitzender der Economiesuisse, dem Verband der Schweizer Unternehmen.