China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner außerhalb Europas und in kurzer Zeit zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen. Der Handel mit dem wachsenden Riesen in Fernost fordert auch die Logistik heraus. Die Logistics Alliance Germany (LAG) hat die stärkere Vernetzung der Logistikbranche zwischen beiden Ländern auf der Agenda.
Im Jahr 2009 hat China den damaligen Exportweltmeister Deutschland überholt und 2013 auch die USA als größte Handelsnation abgelöst. Für China sind damit die USA und Europa die wichtigsten Handelspartner.
Deutsch-chinesische Wirtschaftsbeziehungen heute
Das Bruttoinlandsprodukt Chinas hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten verfünfzigfacht. War Chinas Wirtschaft zunächst produktions- und exportorientiert, entwickelt sich diese zunehmend konsumorientiert. Dies liegt nicht zuletzt an einem Binnenmarkt mit 1,34 Mrd. Menschen und einer wachsenden Mittelschicht, die sich primär in den Küstenregionen konzentriert.
Die größten Logistikzentren des Landes sind Shanghai, das Perlflussdelta und Beijing. In Shanghai ist der größte Hafen der Welt beheimatet und Hong Kong verfügt über das effizienteste Umschlagzentrum in „Greater China“. Von den zehn größten Containerhäfen liegen sieben in Asien, davon Shanghai, Hong Kong und Shenzhen auf den vordersten Plätzen.
Das China von morgen. Für die Zukunft werden neue Transportwege nicht nur von Asien nach Afrika, sondern auch nach Südamerika erwartet. Wachsender Wohlstand und steigende Löhne sorgen für ein weiteres Wachstum innerasiatischer Verkehre durch eine Abwanderung der Produktion in Nachbarländer. Bis 2030 sollen 17 der 25 größten bilateralen See- und Luftfrachtrouten nach China führen. Die Warenströme zwischen Deutschland und China sollen bis 2030 mit mehr als 200 Mrd. USD das fünftgrößte Volumen weltweit erreichen.
Die Verstädterung verändert zusammen mit Einkommenszuwächsen der städtischen Bevölkerung auch deren Lebensweisen und Konsumgewohnheiten. Diese manifestieren sich in der steigenden Bedeutung von B2C-Lösungen und E-Commerce-Angeboten, einem Markt, der 2014 in China auf 274,5 Mrd. USD gewachsen ist.
Chinesische Konsumenten fragen verstärkt Frischeprodukte wie Fleisch und Molkereiprodukte nach. China soll 2015 die USA als größten Lebensmittelmarkt ablösen. Deutsche Molkereien sind inzwischen führend bei Trinkmilchexporten in das Reich der Mitte. Diese Transporte erfordern Lösungen für die Kühlkette sowie effiziente Transport- und Distributionsnetze mit Umschlagstandorten im Inland. Für das Segment der Kühllogistik wird ein Wachstum von jährlich 25 Prozent erwartet. Roland Berger prognostiziert ein Marktvolumen von rund 470 Mrd. Yuan (ca. 57 Mrd. Euro) bis zum Jahr 2017. Entsprechend nachgefragt ist Know-how zum Aufbau und Betrieb der Netze.
Es bleibt abzuwarten, ob sich Logistikangebote auf der Schiene in der Nische zwischen Luftfracht und Seetransport durchsetzen werden. Prominente Beispiele sind Projekte wie die „Neue Seidenstraße“, der „Yuxinou“-Zug von DB Schenker via Transsib zwischen Duisburg und Chongqing im chinesischen Hinterland.
China bleibt auch zukünftig ein Wachstumsmotor im Maschinenbausektor und weiterhin Werkbank der Welt. Insbesondere hier stellen die steigenden Lohnkosten besondere Herausforderungen und sorgen für eine wachsende Nachfrage nach Automatisierung, Effizienzsteigerung und logistischer Vernetzung.
Innerhalb von zehn Jahren hat sich China mit rund 14,5 Mio. Kraftfahrzeugen zum größten Automobil-Produktionsstandort der Welt entwickelt und hat seine Fahrzeugproduktion verzehnfacht. Das Beratungsunternehmen PwC sieht bis 2017 ein beträchtliches Wachstum von weiteren 86 Prozent. Für dieses Wachstum sind neue Kapazitäten und stabile Versorgungsketten notwendig. Zusammen mit den unterschiedlichen infrastrukturellen Voraussetzungen der Provinzen erwachsen hieraus neue logistische Herausforderungen, vor allem hinsichtlich Pünktlichkeit, Flexibilität und Kapazität. Durch unterentwickelte Straßennetze und schlecht ausgebaute Schienennetze ist von einem Anstieg der Logistikkosten auszugehen.
Daneben ist China derzeit der drittwichtigste Produktionsstandort für die chemische Industrie. Das Wachstum im Chemiesektor ist mit 10 bis 20 Prozent überdurchschnittlich. Daraus resultieren hohe Anforderungen an die Sicherheit und entsprechende Dienstleistungsangebote einschließlich IT-Systeme zur Planung und Steuerung der Lieferketten. Die hohen Sicherheitsstandards der internationalen Logistikanbieter dürften also noch mehr an Bedeutung gewinnen.
Herausforderungen. China hat bereits große Anstrengungen unternommen, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur dem Tempo der wirtschaftlichen Entwicklung anzugleichen. Insbesondere die Anbindung der Industriemetropolen im Landesinneren und der Aufbau eines nationalen Logistiknetzes bleiben eine große Herausforderung für den chinesischen Staat. Trotz massiver Investitionen – allein in 2013 wurden 14 Mrd. EUR für den Ausbau von Straßen-, Schienen- und Wasserstraßeninfrastruktur sowie Flughäfen investiert – kann der Ausbau kaum mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt halten.
Neue Marktsegmente wie der boomende E-Commerce-Bereich setzten funktionierende logistische Strukturen als Rückgrat der Warenwirtschaft voraus. Diese Entwicklung bietet erhebliche Wachstumspotenziale für spezialisierte Logistiker im Bereich Kontraktlogistik.
Großes Interesse besteht von chinesischer Seite an Logistik-Know-how sowie Standards und Vorschriften, die einen Effizienzgewinn und eine Erhöhung von Sicherheit und Zuverlässigkeit logistischer Prozesse erwarten lassen.
Branchenübergreifend sind die steigenden Lohnkosten ein limitierender Faktor für die Produktion. Erzielte Produktivitätsfortschritte reichen nicht aus, um die Lohnzuwächse auszugleichen. Auch die Zunahme von Hochtechnologie erfordert eine immer größere Zahl qualifizierter Fachkräfte. Hier könnte nicht nur fachlicher, sondern auch ausbildungsbezogener Know-how-Transfer aus Deutschland Abhilfe schaffen.
Vernetzung mit China hebt die Potenziale. Deutschland ist im weltweiten Vergleich die drittgrößte Exportnation, der drittgrößte Importeur von Waren und ein idealer Counterpart für die Verteilung von Waren aus China innerhalb Europas. Der sichere und zuverlässige Transport von Waren funktioniert nur mit einem kompetenten und gut vernetzten Partner. Zentral in Europa gelegen und von neun Nachbarländern umgeben, bietet Deutschland die passenden Logistiklösungen.
Der Logistikmarkt in Deutschland ist nicht nur der umsatzstärkste Europas. Deutschland ist als Einfallstor und Drehscheibe auch Heimat etlicher großer Logistikunternehmen wie Deutsche Post DHL (Rang 1/25 Welt) und DB Mobility Logistics AG (Rang 7/25 Welt), die weltweit agieren. Auch kleine- und mittelständische Unternehmen der Logistikwirtschaft bieten Branchenlösungen an und sind mitunter weltweit führend in ihrem Segment. Unter dem Motto „Logistics made in Germany“ bewirbt die deutsche Logistikwirtschaft die Kompetenz ihrer hochqualifizierten Logistikdienstleistungen international. Die Vermarktungsinitiative „Logistics Alliance Germany“ (LAG) wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gemeinsam mit der deutschen Logistikwirtschaft als öffentlich-privates Partnerschaftsprojekt umgesetzt.
Eine Kerndienstleistung der LAG besteht darin, ausländische Interessenten bei der Wahl des passenden Logistikdienstleisters für den Transport ihrer Produkte nach Deutschland oder in andere europäische Länder zu unterstützen. Potenzielle Kunden sind chinesische Verlader (z. B. Produzenten von elektronischen Produkten), Kooperationspartner aus dem Bereich Logistik (z. B. zur Schaffung durchgehender Transportketten) oder chinesische Unternehmen, die Know-how in logistischen Fragen benötigen (z. B. um lückenlose Kühlketten aufzubauen).
Für sich dynamische entwickelnde Länder ist die Vernetzung von entscheidender Bedeutung, da die Straße in der Regel die Last der anwachsenden Transportmengen nicht alleine bewältigen kann. Hoch effiziente Prozesse stellen sicher, dass die Logistikkosten in Deutschland bis zu 70 Prozent unter denen beispielsweise von China liegen.
China ist eines der wichtigsten Länder für die Vermarktung des Logistiklandes Deutschland. Dementsprechend vielfältig sind die Aktivitäten, die von der LAG in Bezug auf China umgesetzt werden. Dabei treten die Delegierten der Initiative beispielsweise auf Messen, Veranstaltungen und eigens dafür organisierten Reisen in China in Kontakt mit Vertretern der Exportwirtschaft.
Deutschland bringt also alle Voraussetzungen mit, um sich dank logistischer Lösungen zukünftig noch enger mit dem chinesischen Markt zu vernetzen.
Seit 2008 ist Michael Kuchenbecker als Prokurist und Senior Consultant für die LogisticNetwork Consultants GmbH tätig. Er leitet die Berliner Niederlassung des Logistikberatungsunternehmens und seit 2011 die Geschäftsstelle der Logistics Alliance Germany (LAG).