Die moderne Wissensgesellschaft lebt vom Transfer. Doch auch im digitalen Zeitalter gelingt der Austausch von Erfahrungswissen, der aus der Zusammenarbeit von Menschen hervorgeht, am besten in räumlicher Nähe. Insofern prägen die Wissenschaftsstrukturen einer Region zugleich das lokale Innovationsgeschehen. Funktionierende Cluster stellen dabei den wichtigsten Faktor im internationalen Standortmarketing dar.
Die Forschungsinfrastruktur in der Region Frankfurt RheinMain bietet beste Voraussetzungen für die Bildung von Clustern. So sind in der Region derzeit 30 Hochschulen an 37 Standorten, sechs Max-Planck-Institute, drei Fraunhofer-Institute sowie ein Helmholtz-Zentrum tätig. Darüber hinaus sind etwa 80 zum Teil weltweit tätige Forschungseinrichtungen außerhalb der Hochschulen angesiedelt. Schließlich gibt es mit dem „House of Finance“, dem „House of IT“, dem „House of Logistics and Mobility“ sowie dem „House of Clean Energy“ vier interdisziplinäre Forschungszentren.
Auf der anderen Seite prägen etwa 200.000 Studenten die Wissensregion ebenso wie die knapp 3.000 Hightech-Unternehmen mit zahlreichen Mitarbeitern in Forschung und Entwicklung. Zudem sind in den vergangen Jahren 25 Technologie- und Gründerzentren sowie 13 Technologieparks entstanden.
Die industriellen Stärken der Region liegen traditionell in den Branchen Chemie, Pharma und Life Science. Doch wurden auch in den Bereichen Automotive, Avionik und Elektrotechnik in den vergangenen Jahren beträchtliche Wachstumsraten verzeichnet. Insgesamt sind im industriellen Sektor und in den industrienahen Dienstleistungen fast 450.000 Menschen beschäftigt, die knapp ein Viertel der regionalen Wertschöpfung erwirtschaften.
Aufgrund dieser Vielfalt ist die Wissensregion Frankfurt RheinMain geradezu prädestiniert, einen intensiven Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu ermöglichen. Es verwundert daher nicht, dass in der Region heute eine ganze Reihe von Standortverbünden, auch Cluster genannt, entlang von Wertschöpfungsketten existieren. Dort werden Synergieeffekte erzielt, die eine hohe Bindewirkung der Region für Unternehmen entfalten. Allerdings variiert der Organisationsgrad dieser Cluster teilweise erheblich. So ist nur ein Teil formell organisiert. Dies betrifft vor allem die öffentlich geförderten Cluster- bzw. Netzwerkaktivitäten. Vielfach bestehen auch nur rudimentäre oder gar keine Organisationsstrukturen. Zu den erfolgreichsten informellen Clustern in Frankfurt RheinMain zählen sicher die Industrieparks mit dem Industriepark Frankfurt-Höchst an der Spitze. Hier konzentrieren sich auf wenigen Quadratkilometern 90 Unternehmen mit 22.000 Beschäftigten, überwiegend aus dem Chemie- und Pharmabereich, sowie Großforschungseinrichtungen und die private Hochschule Provadis.
Auch rund um den Flughafen hat sich ein Luft- und Raumfahrttechnik-Cluster gebildet. Im industriellen Sektor bietet das Cluster mehr als 4.000 industrielle Arbeitsplätze. Allein bei Rolls-Royce in Oberursel entwickeln und bauen mehr als 1.000 Mitarbeiter modernste Triebwerkstechnik. Rolls-Royce arbeitet dabei eng mit dem wissenschaftlichen Umfeld zusammen. So hat das Unternehmen mit der TU Darmstadt das Technologiezentrum (University Technology Centre UTC) „Combustor and Turbine Aerothermal Interaction“ gegründet. Im Fokus der Forschung steht die Erhöhung der Umweltverträglichkeit von Triebwerken durch Verringerung der Emissionen bei gleichzeitiger Erhöhung des Wirkungsgrades.
Der 1959 geborene Bankkaufmann studierte Jura in Frankfurt. Er wurde 1996 Geschäftsführer der Frankfurter Assekuranz-Kontor GmbH, bevor er 1997 die Leitung des Vorstandssekretariats der mg technologies ag übernahm. 2000 wurde er zum Generalbevollmächtigten der Gesellschaft ernannt. Seit April 2005 ist er Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main.
Neben diesen informellen Strukturen bestehen in Frankfurt RheinMain auch zahlreiche Cluster, die in Vereinen oder GmbHs organisiert sind. Dabei fungiert der Träger als „Kümmerer“. Er organisiert den Informationsaustausch, schafft Netzwerke und knüpft Kontakte. Neben den Wirtschaftsfördereinrichtungen übernehmen diese Aufgabe vielfach die Industrie- und Handelskammern. Als Beispiel sei hier der Frankfurt Biotech Alliance e.V. (FBA) genannt. Dieses Netzwerk besteht schon seit mehreren Jahren als Verein und versteht sich als Schrittmacher für die Biotechnologie-Region. So engagierte sich die Frankfurt Biotech Alliance bei der Bewerbung des auf industrielle Biotechnologie ausgerichteten Clusters für Integrierte Bioindustrie (CIB) im Rahmen des BMBF-Wettbewerbs „BioIndustry 2021“. Durch den Erfolg konnte das CIB von 2008 bis 2012 vorwettbewerbliche Verbundforschungsprojekte der Fein- und Spezialchemie mit fünf Millionen Euro fördern.
Zu den Mitgliedern der Frankfurt Biotech Alliance gehören neben großen und mittelständischen Unternehmen auch eine Vielzahl von Start-ups. Weiterhin zählen Anwaltskanzleien, Patentanwälte, Venture-Capital- und Beratungsunternehmen zu den Mitgliedern. Ähnlich verhält es sich mit dem mst-Netzwerk Rhein-Main. Es hat zum Ziel, die Mikrosystemtechnik branchenübergreifend zu fördern und Marktpotenziale zu erschließen. Das Netzwerk ist als gemeinnütziger Verein organisiert und wird vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung gefördert.

Hochschulen in der Region bieten vielfältige und innovative Forschungsmöglichkeiten, etwa Praktikumslabore für Biologie.
Insgesamt bildet die Forschungsinfrastruktur in der Region einen wichtigen Grundstein für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Frankfurt RheinMain. Doch zwingt der wachsende Wettbewerb zwischen den Metropolregionen auch die Region Frankfurt RheinMain dazu, sich zukünftig noch besser zu vermarkten. Frankfurt RheinMain verkauft sich an dieser Stelle bislang unter Wert. So ist es bisher nicht hinreichend gelungen, die vielen Vorzüge der Region im globalen Standortwettbewerb deutlich zu machen. Das vorhandene enorme Wissens- und Forschungspotenzial der Region muss nicht nur einer breiteren Bevölkerung transparent präsentiert und zugängig gemacht werden. Vielmehr müssen darüber hinaus auch die Identität und das Image der Wissensregion Frankfurt RheinMain weiter gestärkt werden. Die zentrale Herausforderung ist jedoch, die Forschungskapazitäten der Universitäten und Forschungseinrichtungen noch stärker mit den Entwicklungs-, Produktions- und Vermarktungskapazitäten der Industrieunternehmen zu verbinden. Hierfür bieten sich sowohl in den öffentlich finanzierten Clustern als auch in den regionalen Netzwerken vielfältige Anknüpfungspunkte.