Regionale Kooperation gilt bei Wirtschaftsexperten als ein wichtiger Standortvorteil. Wenn Unternehmen „über den eigenen Tellerrand hinausschauen“ und mit anderen Unternehmen oder Forschungseinrichtungen in der Umgebung zusammenarbeiten, können sie durch Kostensenkung und Spezialisierung besondere Wettbewerbsvorteile am Markt erzielen.
Für viele Unternehmen in Dresden erstreckt sich diese Kooperation nicht nur auf die eigene Stadt. In zahlreichen Zulieferer- und Kooperationsverhältnissen profitieren sie von einer regionalen Einbindung über die sächsischen Ländergrenzen hinaus bis weit hinein nach Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die regionale Vernetzung in Mitteldeutschland trägt dabei nicht nur zu einem verstärkten wirtschaftlichen Wachstum „aus eigener Kraft“ bei, sondern bietet auch neuen Investoren ein attraktives Umfeld und strahlt entsprechend aus. Deshalb wird dieser Prozess sowohl durch die Politik mit der „Initiative Mitteldeutschland“ der Ministerpräsidenten als auch durch die von Unternehmen getragene, bundesweit einmalige Wirtschaftsinitiative für Mitteldeutschland aktiv gefördert. Denn, so lautet das Motto der Wirtschaftsinitiative: Wenn es den Unternehmen gut geht, geht es auch der Region gut, und umgekehrt. Dabei kennt Wirtschaft keine Ländergrenzen.
Die wohl prominentesten Beispiele für länderübergreifende Kooperationen sind die Automobil- und die Photovoltaik Industrie. Daneben gibt es auch in Bereichen wie der Informationstechnologie oder der Biotechnologie zahlreiche Verbindungen Dresdner Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit Partnern bis hin zu den gut angebundenen mitteldeutschen Zentren in Leipzig, Erfurt und Magdeburg.
Der Automobilstandort Dresden ist gemeinhin durch die Gläserne Manufaktur von Volkswagen bekannt. Außer einigen Zulieferern und Automotive-nahen Maschinenbauern konnte sich hier zudem die Technische Universität (TU) Dresden, insbesondere mit den Instituten für Automobiltechnik, für Fahrzeugtechnik sowie für Leichtbau und Kunststofftechnik, besonders profilieren. Die regionale Integration erstreckt sich über das sächsische Automobilzulieferernetzwerk AMZ in alle Teile Ostdeutschlands. Auf Bestreben der Unternehmen hat sich entsprechend das „Automotive Cluster Ostdeutschland“ (ACOD) gegründet. Dieses verbindet den Automobilstandort Dresden auch mit den OEM-Werken von Daimler in Ludwigsfelde oder Opel in Eisenach. Das Spektrum der Aktivitäten umfasst gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsleistungen, gemeinsame themenzentrierte Workshops wie auch vielfältige Marketingaktivitäten.
Ähnlich ist es in der Photovoltaikindustrie, die nicht nur für Dresden und Umgebung eine wichtige Zukunftstechnologie darstellt. Hier hat sich ganz Mitteldeutschland zu einer der weltweit führenden Photovoltaik-Regionen entwickelt. 90 Prozent der in Deutschland produzierten Solarzellen kommen von hier, das macht fast 20 Prozent Weltmarktanteil. In einigen Segmenten zählen Unternehmen aus Mitteldeutschland zu den Marktführern. Wie viele Standorte in Mitteldeutschland, hat die Wirtschaftsregion Dresden hier einen ganz besonderen Wettbewerbsvorteil. Neben der hervorragenden Infrastruktur und den hohen Fördermöglichkeiten stehen vor allem zahlreiche hoch qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung. Grund dafür ist die zunehmende Verzahnung der Solarbranche mit der seit Jahrzehnten aufgebauten Mikroelektronik. Das von 30 Firmen, zehn Forschungseinrichtungen und vier Hochschulen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen initiierte „Solarvalley Mitteldeutschland“ wurde vom Bundesforschungsministerium als nationales „Spitzencluster“ ausgezeichnet und arbeitet mit umfangreichen Forschungsgeldern nun daran, bis zum Jahr 2015 die Kosten für die Herstellung von Solarstrom auf den Preis herkömmlicher Energieträger zu senken.
Beispielhaft wurden die länderübergreifenden Clusterbildungsprozesse von den
drei Landesverwaltungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen unterstützt. Die förderseitige Abstimmung umfasste sogar die Ausreichung von Mitteln für Aktivitäten über das jeweils eigene Bundesland hinaus – eine bemerkenswerte Seltenheit im deutschen Wettbewerbsföderalismus, die jedoch den erreichten regionalen Kooperationsstatus verdeutlicht. „Wachstumsbranchen stärken“ lautet entsprechend eines der Ziele der auch maßgeblich aus Dresden angeschobenen politischen „Initiative Mitteldeutschland“. Neben zahlreichen Kooperationsvorhaben auf Verwaltungsebene hat sich die Politik der drei Länder weitere ambitionierte Ziele für die Zusammenarbeit gegeben: So sollen „optimale Bedingungen für Investitionen und unternehmerische Initiativen“ geschaffen sowie Forschungs- und Innovationspotenziale gemeinsam ausgebaut und vernetzt werden.
Den länderübergreifenden „mitteldeutschen Gedanken“ unterstützen auch zahlreiche Unternehmen aus den drei Bundesländern mit dem Verein „Wirtschaftsinitiative für Mitteldeutschland“, der sich im Zusammenspiel mit Städten und Kammern als „Aktionsplattform strukturbestimmender Unternehmen“ zur „Entwicklung und Vermarktung der traditionsreichen Wirtschaftsregion Mitteldeutschland“ versteht. Die bereits über 60 Mitglieder der im Jahr 2000 gegründeten Initiative fördern die länderübergreifende Cluster- und Netzwerkbildung mit eigenen Finanzmitteln und Managementkapazitäten, sie unterstützen zukunftsträchtige Innovationsprojekte und tragen mit der als regionale Leitmesse konzipierten „Absolventenmesse Mitteldeutschland“ zur Sicherung des regionalen Fachkräftebedarfs bei.
Neben der bereits erreichten wirtschaftlichen Integration in Mitteldeutschland bahnt sich derzeit auch eine mitteldeutsche Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene an. Die Perspektive einer künftig an so genannten „Metropolregionen“ ausgerichteten Förderpolitik der Europäische Union (EU) lässt – analog zu den Unternehmen und Forschungseinrichtungen – auch die größten Kommunen aus Mitteldeutschland enger kooperieren. Für viele stellt dieses gar eine der wichtigen Weichenstellungen für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts dar.
Der Autor ist seit 2005 Geschäftsführer der Wirtschaftsinitiative für Mitteldeutschland GmbH. Der gebürtige Niedersachse hat Politikwissenschaft in Paris und Leipzig studiert und als wissenschaftlicher Mitarbeiter an verschiedenen Instituten sowie als freier Publizist gearbeitet. Ab 2003 war er Projektleiter für den länderübergreifenden Clusterprozess beim ehemaligen Regionenmarketing Mitteldeutschland.