Die Menschen in Baden-Württemberg sind von jeher für ihren Ideenreichtum sowie ihre Freude am Forschen und Entwickeln bekannt. Doch technologischer Vorsprung alleine reicht längst nicht mehr aus, um im internationalen Wettbewerb der Spitzenstandorte bestehen zu können. Die Ressource der Zukunft heißt Kreativität. Ihr wachsender Einfluss in sämtlichen Bereichen unserer Gesellschaft erfordert von allen Akteuren eine neue Denkweise.
So auch im Arbeits- und Wirtschaftsleben: Hier hat sich die Kreativwirtschaft zu einer zunehmend wichtigen Branche entwickelt. Denn erfolgreiche Wirtschaftszentren entstehen in Zukunft vorwiegend dort, wo Unternehmen auf anspruchsvolle Dienstleistungen zurückgreifen können. Wissen und Kreativität sind dafür entscheidende Voraussetzungen.

Renommiert, vielfältig, leistungsstark – die Kreativen im Südwesten. Baden-Württemberg bietet genau diese Voraussetzungen: Die Kreativwirtschaft ist hierzulande ein bedeutender Wirtschaftszweig, in dem vielfältige Wissensdienstleistungen erbracht werden. Und das schon seit vielen Jahren. Denn Baden-Württemberg verfügt im Kreativbereich über eine lange Tradition: So prägten beispielsweise Designlegenden wie Otl Aicher und Anton Stankowski oder Typografie-Genies wie Kurt Weidemann mit visuellen Erscheinungsbildern für die Olympischen Spiele, IBM, Lufthansa, Porsche oder die Deutsche Bank nicht nur die nationale, sondern auch die internationale Designszene.
Aber auch heutzutage spielt die Kreativwirtschaft in der oberen Liga mit: Ob Design- und Musikwirtschaft, Software- und Gamesindustrie oder Presse- und Werbemarkt – diese und weitere Teilbranchen der Kreativwirtschaft weisen im Südwesten deutliche Wachstumsimpulse auf. Seit 2000 ist die Beschäftigung im Kreativsektor jahresdurchschnittlich mehr als doppelt so stark gestiegen wie in der Gesamtwirtschaft.
Zu diesem Erfolg tragen Kreativregionen aus dem ganzen Land bei. So beispielsweise Mannheim und Karlsruhe – bekannt für renommierte Einrichtungen wie die Popakademie Baden-Württemberg oder das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM). Aber auch Pforzheim und Ulm mit ihren international anerkannten Designschulen, Baden-Baden als Standort für den Südwestrundfunk sowie Freiburg und Offenburg, die traditionell stark im Druck- und Verlagswesen aufgestellt sind, spielen eine entscheidende Rolle. Und nicht zuletzt kommt auch der Region Stuttgart eine wichtige Rolle zu.
Diese trumpft mit bekannten Architekturbüros wie Behnisch oder Schlaich, außergewöhnlichen Bauten wie dem Kunstmuseum, dem Mercedes-Benz Museum sowie dem Porsche-Museum und Medienunternehmen wie Reclam, Klett oder der Motor Presse Stuttgart.
Sehr vielfältig zeigt sich die regionale Werbe- und Designbranche. Aktuelles Beispiel: Der Deutsche Pavillon auf der Expo 2010 wurde von einer Agentur aus dem Land realisiert. Hier zeichnet sich eine ganz besondere Stärke von Baden-Württemberg ab – die Verbindung von Ingenieurskompetenz mit kreativem Denken. Das ist in dieser Form in Deutschland einzigartig.
In Baden-Württemberg führt der Kreativsektor somit alles andere als ein Nischendasein. Der Beschäftigungsanteil im Land liegt mit 3,7 Prozent sogar über dem Bundesdurchschnitt von 3,2 Prozent. In der überwiegend kleinbetrieblich strukturierten Branche arbeiten mittlerweile rund 155.000 Erwerbstätige in 28.000 Unternehmen, die einen Gesamtumsatz von rund 19 Milliarden Euro erwirtschaften. Vor allem die Softwarebranche erweist sich dabei als regelrechter Jobmotor: Der Beschäftigtenanteil der Software- und Gamesindustrie lag in Baden-Württemberg zuletzt bei 44 Prozent, bundesweit waren es nur 33 Prozent.

Diese Zahlen belegen, dass sich die heimische Softwarebranche in den vergangenen Jahren besonders dynamisch entwickelt hat. Baden-Württemberg beherbergt in diesen Bereichen Global Player wie Alcatel-Lucent, IBM, Hewlett Packard und SAP, aber auch zahlreiche mittelständische Hidden Champions sorgen für beachtliche Wachstumsraten. Hierzu gehören gerade auch Unternehmen wie Gameforge aus Karlsruhe, das zu den weltweiten Marktführern für internetbasierte Browser-Spiele zählt, sowie Entwicklungsstudios wie Acony aus Villingen-Schwenningen oder TriCAT aus Ulm mit seinen virtuellen Lern- und Trainingslösungen.
Zukünftige Herausforderungen: Talente fördern, Branchen vernetzen, Innovationen vorantreiben. Damit die Kreativwirtschaft weiter an Fahrt gewinnen kann, kommt es nun darauf an, die richtigen Weichen zu stellen. Die Förderung von kreativen, innovationsfreudigen Talenten gehört dabei zu den wesentlichen Aufgaben. Aus diesem Grund unterstützt die MFG Stiftung Baden-Württemberg mit dem Karl-Steinbuch-Stipendium Studierende bei der Umsetzung herausragender, interdisziplinärer IT- und Medienprojekte. Ein aktuelles Beispiel ist das Projekt PATRONUS von Alexander Schwende, einem Studenten am Karlsruher Institute of Technology (KIT). Mithilfe seines Systems kann Demenzpatienten eine gefahrlose Umgebung in ihrer eigenen Wohnung ermöglicht werden.
Neben einer nachhaltigen Talentförderung ist auch die gezielte Unterstützung von Start-ups für einen erfolgreichen Kreativstandort besonders wichtig. Von der Idee zum Geschäftsmodell – auf diesem langen und oft steinigen Weg unterstützt die Wirtschaftsinitiative Baden-Württemberg: Connected – bwcon – junge, expandierende Hightech-Unternehmen und innovative Gründer mit einem umfangreichen, netzwerkbasierten Service-Angebot. Nicht zuletzt kommt es heutzutage immer mehr darauf an, Menschen zusammenzuführen und zu vernetzen – im besten Falle über Landes- und Branchengrenzen hinweg.
Gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg hat die Innovationsagentur MFG Baden-Württemberg unter dem Leitgedanken „where Creativity meets Technology“ ein Forum für neue Ideen geschaffen: Beim Creativity World Forum haben wir über 2.000 kreative Vordenker aus 29 unterschiedlichen Branchen und 28 Ländern vernetzt und zum gemeinsamen Lernen angeregt. Wie ergiebig der Austausch über Länder- und Branchengrenzen hinweg ist, zeigte sich beispielsweise im „Creativity Think Tank“. In diesem interaktiven Workshop sollten in 100 Minuten 100 Ideen entwickelt werden. Nach Ablauf der Zeit waren sogar 130 konkrete Vorschläge und Lösungsansätze vorhanden.
Von diesem beeindruckenden Innovationspotenzial beflügelt, kann sich die Kreativwirtschaft in Baden-Württemberg zuversichtlich den zukünftigen Herausforderungen stellen. Weitere Informationen finden Sie unter: www.mfg-innovation.de.
Der Autor ist seit der Gründung 1995 Geschäftsführer der MFG Baden-Württemberg – der Innovationsagentur des Landes für IT und Medien –, die heute zu den führenden europäischen Innovationsagenturen zählt. Er hat über 30 Jahre Erfahrung in der Kreativwirtschaft und im ITK-Sektor gesammelt. Er ist gefragter Referent, Dozent, Autor und Berater in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Wissenschaft.