Die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen hängt zunehmend von ihrer Einbettung in vernetzte Strukturen ab. In Hessen gewinnen Netzwerke als Wachstumspole wirtschaftlicher Entwicklung eine immer größere Bedeutung. Sie führen innovative Unternehmen, wissenschaftliche Einrichtungen sowie öffentliche Organisationen zusammen, sodass diese von den entstehenden Synergieeffekten profitieren.
Nordhessen hat sich nach der Wiedervereinigung im Vergleich zu den benachbarten Regionen überproportional positiv entwickelt. Die Region verfügt über die größten Wachstumsraten und den anteilig größten Rückgang der Arbeitslosigkeit. Ein in der Region selbst organisierter Prozess hat entscheidend zur Stärkung der regionalen Wachstumspotenziale beigetragen.
Mit dem Ziel, den Wirtschaftsraum Nordhessen strategisch zu entwickeln und dessen Stärken auszubauen, wurde im Jahre 2002 die Regionalmanagement Nordhessen GmbH gegründet. Gesellschafter sind die Stadt Kassel, die fünf nordhessischen Landkreise und die regionale Wirtschaft (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Förderverein Pro Nordhessen e.V.). Sie entwickeln seitdem die Kernkompetenzen, um die Region im internationalen Standortwettbewerb klar zu positionieren. Dabei steht nicht nur die Ansiedlung neuer Unternehmen im Vordergrund, sondern ebenso die gezielte Vernetzung von Unternehmen, Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen, Kammern und Verbänden sowie politischen Entscheidern. Als regionalpolitischer Terminus hat sich hierfür der Begriff „Cluster“ etabliert.
In einem Cluster sind alle Unternehmen aus Produktion und Dienstleistung, öffentlichen Organisationen und wirtschaftsnahen Einrichtungen aus einer Branche in einer Region miteinander verknüpft. Die gegenseitigen Beziehungen tragen zu einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Beteiligten und des gesamten Systems bei. Die Clustermitglieder können wechselnd Zulieferer und Abnehmer, Wettbewerber oder Partner sein. Die Mitglieder sehen die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette als Erfolgsfaktor ihrer Entwicklung an. Der konkrete Nutzen ist unternehmerisch messbar und macht sich an Parametern wie Kostensenkung, Ressourcenschonung, erhöhter Flexibilität und zusätzlichen Geschäftskontakten fest. Entwickeln sich die Unternehmen eines Clusters positiv, profitiert auch die Region.
Es war angesichts der Fülle von Ansatzpunkten eine wegweisende Entscheidung, sich in der Region Nordhessen auf drei Cluster zu konzentrieren.
Dazu zählen Mobilitätswirtschaft, Tourismus/Wellness/Gesundheit sowie Dezentrale Energietechnologien/Energieeffizienz. Maßgeblich für deren Auswahl war die wirtschaftliche Hebelwirkung für die Region, definiert durch Umsätze, Bruttowertschöpfung, Anzahl der Arbeitsplätze und Wachstumspotenzial. Diese Fokussierung auf Kernthemen trägt dazu bei, eine klare Priorität für die politischen Entscheider in Kommunen, Region und Land zu definieren sowie entsprechende Projekte in den Clustern vorrangig zu unterstützen. Voraussetzung für den Erfolg war allerdings der Aufbau eines professionellen Clustermanagements, was sich aufgrund der Vielzahl von Partnern und Interessen als komplexe und langfristige Aufgabe herausstellte.
Am Anfang steht die Analyse: Wo stehen wir? Wo liegen unsere Stärken? Wo wollen wir hin? Was ist dafür zu tun? Wichtig war zunächst, meinungsbildende Unternehmen vom Nutzen der regionalen Kooperation zu überzeugen. Dies ist gelungen, weil in der Startphase die unternehmerische Vision vermittelt werden konnte, durch die gezielte Ausschöpfung des Lagevorteils in Deutschland Produktionskosten zu reduzieren (Motto „Nordhessen – die Lage ist gut“). Allein in der Startphase des Clusters Mobilitätswirtschaft haben Veranstaltungen, Foren und Projektgruppen dazu geführt, dass neue Unternehmenskooperationen und damit Aufträge generiert werden konnten.
Die Cluster-Plattform MoWiN.net e.V. (Mobilitätswirtschaft in Nordhessen) bündelt die Interessen von Unternehmen und unterstützt zudem das Regionalmanagement bei der Umsetzung flankierender Projekte, unter anderem bei dem Aufbau der Berufsakademie Logistik oder des Anwendungszentrums Metallformgebung (METAKUS). Grundsätzlich gilt: Visionen müssen durch konkrete Ziele definiert und messbar gemacht werden. So sollen im Rahmen des Kompetenzfeldes Logistik durch ein gezieltes Ansiedlungsmanagement in den nächsten zehn Jahren über 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Diese wachsende Logistikkompetenz ist wiederum der Hebel zur Ansiedlung weiterer Unternehmen, die die Kostenvorteile Nordhessens nutzen sollen.
Auch die beiden anderen Cluster werden nach diesem Prinzip gesteuert: Partner ermitteln, zusammenführen, in Workshops gemeinsame Strategien und Projekte entwickeln und anschließend umsetzen. So werden beispielsweise im Cluster Tourismus/Wellness/Gesundheit mit rund 100.000 Arbeitsplätzen, neun Milliarden Euro Umsatz, elf Kurorten, 100 Kliniken sowie zahlreichen touristischen Leistungsträgern ebenso innovative Projekte entwickelt. Sowohl im Tourismus (Wandern, Radfahren, Golf) als auch im Bereich Gesundheit (Medical Wellness, Gesundheit im Betrieb, FuE-Projekte) sind neue Produkte und dauerhafte Kooperationen entstanden, die die Region in beiden hart umkämpften Märkten deutlich besser positionieren. Mit der Verabschiedung der Dachmarke „GrimmHeimat NordHessen“ wurde ein Meilenstein für ein erfolgreiches Tourismusmarketing definiert.
Als drittes Zukunftsthema der Region Nordhessen koordiniert das Regionalmanagement den Cluster für dezentrale Energietechnologien und Energieeffizienz, dem in Nordhessen die größten Wachstumschancen zugerechnet werden. Die Partner haben sich im Verein deENet e.V. (Netzwerk Dezentrale Energietechnologien Nordhessen) zusammengeschlossen. Ziel ist die erfolgreiche Teilhabe am globalen Wachstumsmarkt für dezentrale Energieversorgungssysteme, um zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen. Die rund 3.000 Beschäftigten sollen im Jahr 2020 auf insgesamt 20.000 angewachsen sein. Um dies zu erreichen, soll die Vermarktung der vorhandenen Unternehmen koordiniert, gemeinsam neue Verfahren und Produkte entwickelt sowie der FuE-Standort für dezentrale Energien in Nordhessen gestärkt werden.
Damit sind informelle, institutionenübergreifende Strukturen zur Wirtschaftsförderung entstanden, die auf erfolgsorientiertes und schnelles Handeln der Netzwerkpartner ausgerichtet sind. In Nordhessen ist das Prinzip „Stärken stärken“ keine Floskel mehr; es ist zur Strategie für den Standort geworden.
Der 1962 geborene Autor ist seit 2002 Geschäftsführer der Regionalmanagement Nordhessen GmbH. Er hat Wirtschaftsgeographie und Sozialwissenschaften studiert und begann zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stadt Köln im Amt für Stadtentwicklung. Ab 1993 wirkte er für die Landesentwicklungsgesellschaft des Freistaats Thüringen, zuletzt als Bereichsleiter Stadt- und Regionalentwicklung.