Zahlreiche Untersuchungen und Berichte bemühen sich, ein realistisches Bild von den in Afghanistan herrschenden Verhältnissen in Bezug auf Politik, Sicherheit und Wirtschaft zu zeichnen. Die ständigen Negativmeldungen führen weltweit zu falschen Vorstellungen über wirtschaftliche Wachstumspotenziale, regionale Verkehrswege, Vorteile der geostrategischen Lage und die Fähigkeiten der afghanischen Menschen. Afghanistan erholt sich rasch, wenngleich die Medien oftmals versuchen ein anderes Bild zu zeichnen und trotz der Versuche, die Sicherheitslage zu destabilisieren. Die jährlichen Wachstumsraten lagen zuletzt stets zwischen neun und zwölf Prozent.
Wie sieht die afghanische Wirklichkeit aus?
Afghanistan ist traditionell ein wirtschaftsfreundliches Land, das unternehmerisches Handeln fördert. 1928 besuchte König Amanullah die Firma Siemens in Berlin und bot ihr an, in Afghanistan zu investieren. Die Investitionen waren sehr erfolgreich und die Beziehungen zwischen beiden Ländern entwickelten sich hervorragend. 2004 machte Präsident Karzai Siemens bei einem Besuch in Berlin das gleiche Angebot – wieder mit sehr guten Ergebnissen. Im heutigen Afghanistan kann man einen langsamen, aber stetigen Wandel der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Bedingungen beobachten. Trotz zahlreicher Behinderungen hat der Privatsektor auch in schwierigsten Kriegszeiten nie aufgehört, Güter und Dienstleistungen zu produzieren. In der Afghanischen Nationalen Entwicklungsstrategie (ANDS – Afghanistan National Development Strategy) spielt der Privatsektor eine entscheidende Rolle für den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt. Die Regierung privatisierte bis Ende des Jahres 2007 mehr als 65 staatliche Firmen. Das Land unternimmt, unterstützt von der internationalen Gemeinschaft, weiterhin Reformen und nähert sich damit dem Ziel, die Voraussetzungen zur Teilnahme am Welthandel zu erfüllen. Dazu gehören unter anderem vereinfachte Unternehmensgründungen, Visaerleichterungen für Investoren, staatliche Investitionsgarantien und die Anerkennung rechtlicher Dokumente zur Investitionsabsicherung.
Laut der Weltbank „machte Afghanistan gewisse Fortschritte bei der Eintragung von Grundbesitz. Afghanistan bleibt weiterhin unter den TOP 25-Ländern in der Rubrik Unternehmensgründung …“ (Weltbank, 2006). Bei Reformen schnitt das Land 2004 laut Doing Business indicator der Weltbank als bester der fünf von Konflikten betroffenen Staaten Afghanistan, Irak, Osttimor, Eritrea und Sudan ab. Die Zahl der bei Firmengründungen erforderlichen Anträge sank von 28 auf eins und der Zeitaufwand für das gesamte Verfahren von 90 auf sieben Tage. Die Verkehrsinfrastruktur auf den wichtigsten afghanischen Handelswegen wurde verbessert. Unterlagen über Immobilienbesitz werden gesammelt und digitalisiert und bilden die Basis für ein neues Grundbuchsystem. Im Juni 2011 erzielte Afghanistan im „Easing Doing Business Index“ der Weltbank, der die Wirtschaftsfreundlichkeit von Staaten abbildet, Platz 160 von 183 – und rangiert damit noch vor vielen afrikanischen Staaten oder beispielsweise auch Venezuela.
Der Privatsektor wächst in den Branchen Bau, Banken, Landwirtschaft, Verkehr, Bildung und Dienstleistungen. Er ist nach wie vor das Rückgrat der afghanischen Wirtschaft und spielt eine entscheidende Rolle bei den aktuellen wirtschaftlichen Veränderungen. Internationale Industrieunternehmen beginnen, sich auf dem afghanischen Markt zu betätigen. Allein der deutsche Siemens-Konzern hat über ein Dutzend Projekte in den Bereichen Energie, Medizin und Telekommunikation realisiert. Im Energiesektor sind Wasserkraftwerke, Anlagen und Umspannwerke für das Stromversorgungsnetz in Kabul und anderen Provinzen Paradebeispiele für das zukunftsweisende Engagement privater Unternehmen. Weitere sind Afghan Wireless (AWCC) und Roshan Telecom im Bereich Telekommunikation sowie die Einrichtung von Zentren für moderne bildgebende Verfahren in größeren Krankenhäusern.
Das Megaprojekt Kabul New City (KNC) als bedeutender nationaler Entwicklungsindikator.
Als schnell wachsendes Schwellenland von großer strategischer Bedeutung hat Afghanistan mit seiner Lage am Schnittpunkt der Seidenstraße und des Nord-Süd-Handels sehr gute wirtschaftliche Voraussetzungen. Die beiden Handelskorridore verbinden einige der größten und wachstumsstärksten Märkte der Welt wie China, Indien, Russland, Pakistan, die Türkei, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate. Sie bieten Zugang zu den riesigen Energieressourcen Zentralasiens, afghanischen Erzvorkommen im Wert von mehreren Milliarden Dollar, dynamischen südasiatischen Märkten und international bedeutenden Handelshäfen am Persischen Golf und Indischen Ozean.
Die afghanische Hauptstadt Kabul, die den Geist aller Afghanen und der internationalen Zusammenarbeit atmet, liegt im Herzen dieser ressourcenreichen Region und hat gute Aussichten, eine internationale Wirtschaftsdrehscheibe zu werden. Eines der größten Entwicklungsprojekte ist Kabul New City (KNC), wo in den nächsten 30 Jahren Wohnungen für etwa drei Millionen Menschen entstehen sollen. Das in direkter Nachbarschaft zu Kabul und zwischen zwei großen Flughäfen (Kabul International Airport und Bagram Air Base) gelegene Gebiet gehört zu den sichersten Gegenden des Landes.
Das Megaprojekt Kabul New City wurde als Reaktion auf den ständig wachsenden Bedarf an Wohnraum in Kabul initiiert. Wegen des Zuzugs aus anderen Städten, der Rückkehr von Exil-Afghanen und des beispiellosen Bevölkerungswachstums kann der Wohnraumbedarf in Kabul derzeit nicht gedeckt werden. Eine Zweizimmerwohnung kostet zwischen 80.000 und 100.000 US-Dollar, während das afghanische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Jahr circa 400 Dollar beträgt. Die afghanische Regierung kann die steigende Nachfrage nach Wohnraum nicht befriedigen.
Die New City bietet Investoren Chancen in fast allen Bereichen. Dazu gehören Investitionen in die Infrastruktur, einschließlich der Erzeugung, Übertragung und Verteilung von Elektrizität, Wasserwirtschaft und Wasserbau, Schnee- und Regenwasser-Reservoirs, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Wasser-Verteilnetze und Abwasser-Aufbereitungsanlagen, Verkehr, medizinische Versorgung, Bildungsangebote, Hoch- und Tiefbau einschließlich Wohn-, Geschäfts- und Industriegebäuden sowie öffentlicher Einrichtungen, Bankwesen, Landwirtschaft, Industrie, Handel, Nahrungsmittel und diverse Dienstleistungen in den Bereichen Technik, öffentliche Verkehrsmittel, Infrastruktur, IT und Medien.
Die Landwirtschaftszone Barikab bietet ausgezeichnete Voraussetzungen für den Obst-, Getreide- und Gemüseanbau, die Blumenzucht und den Betrieb von Gewächshäusern und Milchfarmen. Eine neuere große Studie der Entwicklungshilfe-Organisation Japan International Cooperation Agency (JICA) hat ergeben, dass eine starke Beteiligung privater Firmen an Kabul New City als Bauträger, Bauunternehmer, Investoren oder Dienstleister den Erfolg des Projektes sicherstellen würde. Deshalb hat die afghanische Regierung ein unabhängiges Gremium beauftragt, detaillierte Umsetzungspläne für die Stadtentwicklung zu erarbeiten, die in den kommenden 15 Jahren 1,5 Millionen Menschen zugute kommen sollen.
Einzelheiten der Planung.Der Generalplan enthält eine umfangreiche Machbarkeitsstudie, Sektorstudien, einen Geschäftsplan, einen Ausführungsplan, Umweltanalysen und weitere Untersuchungen zur Stadtentwicklung. Die Umsetzung findet in drei Phasen statt: Phase eins von 2010 bis 2015, Phase zwei von 2016 bis 2020 und Phase drei von 2021 bis 2025.
Die Projektziele sind einfach und für die breite Bevölkerung wie für Investoren gut nachvollziehbar. Das Projekt soll den steigenden Wohnraumbedarf in Kabul decken, in großem Maßstab Arbeitsplätze schaffen, aus den Verkaufserlösen Wohlstand generieren, steuer-, zoll- und arbeitsrechtliche Fragen im Sinne der Bevölkerung und der Behörden regeln und schließlich sicherstellen, dass ein umweltverträglicher, ökologisch orientierter städtischer Lebensraum entsteht und gleichzeitig die bestehenden Dörfer erhalten bleiben. Diese Vorgaben sind ohne das Engagement und die Investitionen internationaler Partner unmöglich zu verwirklichen. Die afghanische Regierung, vertreten durch das Independent Board of Kabul New City Development und die Entwicklungsbehörde Dehsabz – Barikab City Development Authority (DCDA), fungiert als Moderator und unterstützt die privaten Akteure bei der Suche nach geeignetem Bauland sowie bei Behördenkontakten. Gleichzeitig ist sie für die Überwachung und Beurteilung der Entwicklungsmaßnahmen laut Generalplan sowie bis zur Übergabe der Amtsgeschäfte an eine neue Stadtverwaltung für die Aufrechterhaltung des städtischen Betriebs zuständig. Die DCDA ist eine Organisation von hochqualifizierten Technik- und Management-Experten, bei der alle Fäden der Durchführung des KNC-Projektes zusammenlaufen. Die in Phase eins vorgesehenen Infrastruktur- und Erhaltungsmaßnahmen für die Dörfer wurden mit Unterstützung von JICA und Asiatischer Entwicklungsbank bereits eingeleitet.
Projektvorgaben für die nächsten 15 Jahre.
- Das Entwicklungsprojekt Kabul New City wird bis 2025 insgesamt 500.000 neue Arbeitsplätze schaffen, davon je 100.000 in der Landwirtschaft und Industrie und 300.000 in Dienstleistungs- und anderen Branchen.
- Bis 2025 werden 250.000 Wohneinheiten entstehen.
- Bereitstellung moderner Infrastrukturen und öffentlicher Einrichtungen wie Straßen, Elektrizität, Wasser, Kanalisation, Telekommunikationssysteme, Moscheen, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Parks und Regierungsstellen.
- Produktion von Materialien und Gütern für die Bau- und Leichtindustrie in den geplanten Industriegebieten, Angebot von Dienstleistungen aller Art.
- Erzeugung von Nahrungsmitteln für die Hauptstadt – Barikab hat gute Voraussetzungen für den Anbau beziehungsweise die Herstellung von Getreide, Obst, Gemüse, Blumen und Milchprodukten.
- Einführung und Aufbau des Sektors Agrartechnologie in Barikab.
Wirtschaftlicher Nutzen. Folgende Schwerpunktbereiche werden von dem Megaprojekt profitieren:
- Nutzen für die Gesellschaft: Dies betrifft Endverbraucher, kleine Investoren, Baufirmen, den Arbeitsmarkt und ärmere Gemeinden.
- Nutzen für Investoren: lukrative Erträge für Unternehmen, die in KNC investieren und Gewinne in Afghanistan reinvestieren. Afghanische und ausländische Investoren profitieren in gleichem Maß.
- Nutzen für die afghanische Regierung: unter anderem höheres Steueraufkommen, Arbeitsplätze, Einkünfte aus Landverkäufen, konjunkturelle Belebung, Überwindung des Wohnungsmangels und Bereitstellung von Sozialwohnungen.
Fazit.
Die afghanische Regierung garantiert die notwendigen Rahmenbedingungen für Investitionen und Geschäftstätigkeit. Investoren können zusammen mit afghanischen Partnerunternehmen oder allein investieren. Die Dehsabz – Barikab City Development Authority (DCDA) moderiert und überwacht den Projektfortschritt.
Der Geschäftsplan für Phase eins prognostiziert eine überdurchschnittliche Jahresrendite für Unternehmen, die in das KNC-Projekt investieren. Solche Investitionen bieten nicht nur Chancen für afghanische und internationale Investoren, sondern auch für die Regierung und das Volk von Afghanistan, die sich weiterhin als Partner beteiligen und auf dem Weltmarkt tätig werden können. Die internationale Gemeinschaft kann die Bemühungen Afghanistans am besten dadurch unterstützen, dass sie das Land als Partner behandelt und nicht als Empfänger von Hilfsgeldern. Bei dem KNC-Projekt gewinnen alle Beteiligten. Für Kabul New City gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Treffen Sie eine unternehmerische Entscheidung und machen Sie mit.
Der 1950 geborene Autor ist Mitglied des unabhängigen Gremiums Independent Board of Kabul New City Development, CEO der Dehsabz – Barikab City Development Authority (DCDA) und ehemaliger CEO und Präsident von Siemens Afghanistan. Er machte den Bachelor-Abschluss an der technischen Hochschule von Kabul und studierte Maschinenbau an Universitäten in Kabul und Mannheim.