Die VolkswagenStiftung ist einer der größten privaten Wissenschaftsförderer in Deutschland. In den inzwischen 50 Jahren ihres Bestehens hat die Stiftung knapp 4 Milliarden Euro für rund 30.000 Forschungsprojekte bewilligt und sich damit einen festen Platz in der nationalen wie internationalen Förderlandschaft erworben. Als eine der bedeutenden Stiftungen hierzulande und einer der leistungsstärksten privaten Wissenschaftsförderer in Europa sieht sie ihre Aufgabe darin, ein verlässlicher und zugleich impulsgebender Partner der Wissenschaft zu sein.
Die Stiftung wurde im Jahre 1961 von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Niedersachsen als eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet und nahm 1962 ihre Arbeit auf. Sie ist keine Unternehmensstiftung, wie aufgrund ihres Namens oft vermutet wird. Gründung, Name und Zweck der Stiftung sind vor dem Hintergrund der besonderen Bedingungen der deutschen Nachkriegszeit zu sehen. In einem Staatsvertrag zwischen dem Land Niedersachsen und der Bundesrepublik Deutschland vom November 1959 wurden die Auseinandersetzungen um die nach 1945 ungeklärten Eigentumsverhältnisse am Volkswagenwerk beendet: Man beschloss, eine Stiftung mit dem Satzungszweck „Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre“ zu errichten.
Mit diesem Staatsvertrag wurde die damalige Volkswagenwerk GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 60 Prozent des Aktienkapitals wurden durch Ausgabe sogenannter Volksaktien in Privateigentum überführt, je 20 Prozent erhielten die Bundesrepublik Deutschland und das Land Niedersachsen. Der Erlös aus der Privatisierung und die Gewinnansprüche auf die dem Bund und dem Land verbliebenen Anteile des Aktienkapitals wurden als Vermögen der neu gegründeten „Stiftung Volkswagenwerk“, wie sie bis 1989 hieß, übertragen. Dahinter stand die Idee, in der noch jungen Bundesrepublik Deutschland eine unabhängige und starke Institution zur Förderung von Wissenschaft und Technik zu etablieren. Mit diesen Mitteln fördert die VolkswagenStiftung im Wesentlichen die Grundlagenforschung. Sie ist offen für alle Wissenschaftsbereiche: von den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften über die Ingenieur-, Natur- und Biowissenschaften bis hin zur Medizin. Der Stiftung steht es frei, nach eigener Gewichtung zu fördern, was sie für relevant und wen sie für geeignet hält. Dies jedoch immer innerhalb der Bestimmungen ihrer Satzung: So vergibt sie ihre Mittel nur an wissenschaftliche Einrichtungen. Sie fördert ausschließlich zweckgebunden und hat darauf zu achten, dass die Mittel zusätzlich verwendet werden, also nicht den Grundetat einer Institution entlasten.
Die Gestaltung des Förderangebots orientiert sich nicht ausschließlich an den seitens der scientific community geäußerten Bedürfnissen. Das Förderkonzept spiegelt vielmehr die Verpflichtung, berechtigte Interessen und Erwartungen angemessen zu berücksichtigen, die von außen an die Wissenschaft herangetragen werden. So schenkt die Stiftung auch jenen Problembereichen Beachtung, in denen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft mit Recht von der Wissenschaft Unterstützung erwarten. Zentrales Anliegen ist es, immer wieder Fördermöglichkeiten in neuen Wissenschaftsgebieten zu eröffnen und neue Förderinstrumente zu entwickeln.

Dr. Jörg Neumann vom Laser-Zentrum Hannover arbeitet an einem experimentellen Aufbau zur optischen Charakterisierung
laseraktiver Polymerwellenleiter.
Etwa 15 Förderinitiativen bilden das Förderportfolio der VolkswagenStiftung. Gruppiert sind die Initiativen nach der vorrangig verfolgten Intention: Sie sind entweder struktur- und personenbezogen, vorrangig auslandsorientiert oder auch themenspezifisch ausgerichtet. So fördert die Stiftung Projekte und Nachwuchswissenschaftler im subsaharischen Afrika, unterstützt Hochschulen bei der Entwicklung neuer Curricula und finanziert die Erforschung von kultur- und gesellschaftswissenschaftlichen Schlüsselthemen. Neben ihrem internationalen und deutschlandweiten Engagement ist die Stiftung insbesondere auch in ihrem Sitzland Niedersachsen als Wissenschaftsförderer aktiv. Seit Gründung der VolkswagenStiftung ist Forschungsförderung in Niedersachsen untrennbar mit dem Begriff „Niedersächsisches Vorab“ verbunden. Dieser Begriff bezeichnet jene Erträge aus der Vermögensanlage der Stiftung, die ausschließlich der niedersächsischen Hochschul- und Wissenschaftslandschaft zugute kommen. Das Land und die größte private wissenschaftsfördernde Einrichtung Deutschlands, die Volkswagen-Stiftung, wirken hier zum Wohle der Wissenschaft im norddeutschen Bundesland eng zusammen – und dies seit nunmehr 50 Jahren. Über eine Milliarde Euro wurden in dieser Zeit aus dem „Vorab“ vergeben.
Die Mittel des „Vorab“ haben den finanziellen Handlungsspielraum in der Forschungsförderung des Landes deutlich erweitert und dazu beigetragen, dass es im nationalen und internationalen Wettbewerb erfolgreich bestehen kann. In den vergangenen Jahren kam es dank der „Vorab“-Förderung zu zahlreichen Institutsgründungen sowie zur Etablierung einer Reihe größerer wissenschaftlicher Verbünde, die etwa die Themen Ernährung oder Energie fokussieren. Nicht zuletzt das gute Abschneiden in den ersten beiden Runden der Exzellenzinitiative, deren Landesanteil ebenfalls aus dem Niedersächsischen Vorab finanziert wird, belegt die herausragenden Qualitäten der Forschungsregion Niedersachsen:
Zwei international ausgerichtete Graduiertenschulen, drei Exzellenzcluster und das Zukunftskonzept der Universität Göttingen konnten im Rahmen des bundesweiten Wettstreites überzeugen. In der derzeit laufenden dritten Runde der Exzellenzinitiative können zusätzlich zwei Graduiertenschulen und ein Exzellenzcluster aus Niedersachsen einen Vollantrag stellen.

Uwe Schneider widmet sich der Synthese.

Melanie Gauch vom Deutschen Institut für Kautschuktechnologie Hannover
ist gerade dabei, benötigte Polymerschichten herzustellen.
Der besondere Charakter des Niedersächsischen Vorab besteht im engen Zusammenwirken von Land und Stiftung. Dabei waren die Partner bundesweit Vorreiter für ein solches kooperatives Modell der Wissenschaftsförderung: Erstmals bündelten eine private Stiftung und die Politik ihre Kompetenzen, um Forschung und Lehre nachhaltig, flexibel und zukunftsorientiert zu unterstützen. Zukunftsgerichtet zu fördern bedeutet zugleich, stets die eigenen Verfahren und die eigene Förderpraxis daraufhin zu prüfen, ob und inwieweit sie mit den Veränderungen in der Wissenschaft selbst Schritt halten: Mit welchen Angeboten lässt sich den Herausforderungen begegnen – etwa einer stärkeren Internationalisierung, dem härter werdenden Wettbewerb um Spitzenkräfte und dem grundlegenden Strukturwandel an den Hochschulen?
Die gemeinsamen Überlegungen vor dem Hintergrund dieser Fragen führten im Jahr 2006 zu einer strategischen Neuausrichtung der Förderaktivitäten im „Vorab“, das nun auf sechs tragfähigen Säulen ruht: Gefördert wird jetzt konzentriert in den Bereichen „Forschungsverbünde und Forschungsschwerpunkte“, „Holen und Halten“, „Neue und sich entwickelnde Forschungsgebiete“, „Exzellenzinitiative“, „Drittmittel“ und „Forschungskooperation Niedersachsen und Israel“. Diese sechs Strukturlinien bieten Raum für Forschungsprojekte, die Neues wagen, schaffen Platz für ungewöhnliche Ideen kluger Köpfe, stützen Impulse für veränderte Strukturen an den Hochschulen, sie regen die Bildung wissenschaftlicher Schwerpunkte an. Nicht zuletzt wird natürlich auch Bewährtes erhalten, wie etwa die wissenschaftliche Kooperation zwischen Niedersachsen und Israel, die seit nunmehr über dreißig Jahren besteht. In allen Bereichen aber wird stets mit dem Maß der Wissenschaft selbst gemessen: Jenseits kurzfristiger politischer oder ökonomischer Interessen orientiert sich die Förderung im „Vorab“ an den Kriterien wissenschaftlicher Qualität und Originalität.
Entfaltungsraum für neue Forschungsfragen und Rückhalt für die hiesige Wissenschaft bietet das Niedersächsische Vorab seit fast fünf Jahrzehnten. Und das möchte es – gerade in seiner neuen Struktur – auch künftig bieten, um den Wissenschaftsstandort – und damit auch den Wirtschaftsstandort – Niedersachsen zu stärken.
Nach dem Studium der Germanistik, Philosophie, Pädagogik und Politikwissenschaft war der Autor als Lektor an der Universität Oxford, beim Wissenschaftsrat sowie in der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft tätig. Seit 1996 ist Dr. Krull Generalsekretär der VolkswagenStiftung. Neben Tätigkeiten in der Wissenschaftspolitik und Forschungsförderung nimmt er zahlreiche Funktionen in verschiedenen Gremien des In- und Auslandes wahr.