Frankfurt am Main – das ist die Stadt mit einer in Deutschland einzigartigen Silhouette, die für viele Menschen die Bedeutung Frankfurts als Zentrum der europäischen und deutschen Finanzwirtschaft sichtbar werden lässt. Hinter diesem äußeren Erscheinungsbild Frankfurts verbirgt sich der – nach London – zweitgrößte Finanzstandort in der EU. In Frankfurt sind rund 73.000 Menschen bei rund 220 Kreditinstituten tätig, drei Viertel der Kreditinstitute sind dabei Töchter oder Repräsentanzen ausländischer Institute. Zudem werden bei der Deutschen Bundesbank und der Europäischen Zentralbank Entscheidungen für 300 Millionen Menschen getroffen. Darüber hinaus ist Frankfurt der Standort der größten Börse Deutschlands mit einem Handelsvolumen von 2,1 Billionen Euro.
Neben Banken prägen den Finanzplatz Frankfurt aber auch Versicherungen sowie Asset Manager. Neben den Banken gerät die Assekuranz am Finanzplatz zu Unrecht gelegentlich ein wenig in Vergessenheit: Am Finanzplatz sind rund 100 Versicherungsunternehmen mit etwa 20.000 Mitarbeitern ansässig. Hinzu kommen etwa 50 international tätige Investment- und Kapitalanlagegesellschaften.
Im internationalen Vergleich der Finanzstandorte lässt sich der Finanzplatz Frankfurt wie folgt umreißen:
• Frankfurt ist kein reines Finanzzentrum
ohne realwirtschaftlichen Bezug. Der Finanzplatz ist vielmehr eingebettet in die größte Volkswirtschaft in der EU. Er verfügt damit über den Zugang zu einem riesigen Kundenmarkt aus Mittelständlern, Großunternehmen und Privatkunden. Mit dem Fokus auf diesen Kundenmarkt ist auch das Selbstverständnis des Finanzplatzes verbunden, in erster Linie Dienstleister für die Realwirtschaft zu sein.
• Frankfurt ist kein Finanzzentrum,
das sich auf ein spezielles Segment der Finanzindustrie spezialisiert hat. Andere Finanzzentren – das zeigt auch der „Global Financial Centres Index“ (GFCI) – sehen ihre Stärke als Spezialisten. Frankfurt steht demgegenüber für die gesamte Bandbreite der Finanzindustrie.
Daneben verfügt der Finanzplatz Frankfurt über ein hervorragendes regulatorisches Umfeld. Wenn gelegentlich auf Frankfurt als die „Stadt des Euro“ verwiesen wird, dann geschieht dies nicht ohne Stolz, Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) zu sein. Mit der EZB, dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB), der Bundesbank, der europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA, der BaFin sowie der Finanzmarktstabilisierungsanstalt FMSA hat Frankfurt im Grunde eine umfassende geld- und stabilitätspolitische sowie regulatorische Palette zu bieten. Hierdurch genießt der Finanzplatz Frankfurt auch international einen sehr guten Ruf. Nach dem Global Financial Centres Index 11 vom März 2012 belegt Frankfurt beim Merkmal „Government and Regulatory“ weltweit kontinuierlich Platz fünf.
Die attraktive und erfolgreiche Positionierung Frankfurts steht aber vor immer neuen Herausforderungen: Die aktuellen regulatorischen Veränderungen erreichen die Akteure am Finanzplatz bereits heute. Im Rahmen der Krisenbewältigung rollt auf sie eine ganze Welle von Regulierungsvorhaben zu, die sie erst einmal umsetzen müssen. Während Versicherer sich auf die Umsetzung von Solvency II und Manager von Investmentfonds auf die Richtlinie für Manager alternativer Investmentfonds (kurz: AIFM-Richtlinie) einstellen, arbeiten die Banken – immer mit Blick auf die Verhandlungen in Brüssel – an der Umsetzung von Basel III. Hinzu kommen zahlreiche Regulierungen beispielsweise zu Derivaten und zur Anlageberatung. Auf nationaler Ebene sind zudem das Restrukturierungsgesetz und die Bankenabgabe zu nennen.Für die Hessische Landesregierung hat der Finanzplatz Frankfurt eine herausragende strategische Bedeutung. Im Sinne einer Profilbildung setzt sich die Hessische Landesregierung gezielt für die weitere Entwicklung und Stärkung der Wettbewerbsposition des Finanzplatzes Frankfurt ein. Eine wichtige Vorgehensweise auf nationaler Ebene sind dabei die im Bundesratsverfahren bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten. So hat der Bundesrat auf hessische Initiative hin zu zahlreichen finanzmarktpolitischen Regulierungsvorhaben Positionen bezogen und auf handhabbare Lösungen hingewirkt. Ziel war und ist es stets, die Festigung sowie den Ausbau des Finanzplatzes voranzubringen.
Zu den zentralen Positionen der Hessischen Landesregierung zählt dabei die Forderung nach einem „Level Playing Field“, also nach international – jedenfalls aber auf EU-Ebene – einheitlichen regulatorischen Rahmenbedingungen. Dabei ist das klare Ziel, es darf keine nationalen Alleingänge geben. Eine einheitliche Regulierung ist in einem EU-Binnenmarkt unverzichtbar und wirkt auch international Wettbewerbsnachteilen Frankfurts entgegen. Auf der Grundlage einer einheitlichen Regulierung kann der Finanzplatz Frankfurt zudem mit seinem starken realwirtschaftlichen Umfeld punkten. Aktuelle Beispiele für die Forderung nach einem Level Playing Field sind die Stellungnahme zum CRD IV-Umsetzungspaket sowie zur Novelle des Versicherungsaufsichtsgesetzes zur Umsetzung von Solvency II.
Als Kompetenzzentrum für Regulierung, Finanzstabilität und Aufsicht wird Frankfurt nach Einschätzung der Hessischen Landesregierung durch die international zunehmende Bedeutung dieser Bereiche weiterhin an Gewicht gewinnen.
Daneben setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass das Regulierungszentrum Frankfurt auch bei neuen Feldern der Regulierung und Aufsicht in den Vordergrund gerückt wird. Aufgrund der möglichen Gefahren des Parallel Banking – vielfach auch als Schattenbankenwesen bezeichnet – für die Finanzstabilität ist die Bündelung der EU-weiten Erfassung und Überwachung dieser Finanzbranche an einer Stelle in der EU unumgänglich. Auf Initiative der Landesregierung hat sich der Bundesrat im Rahmen der aktuellen Pläne um eine Regulierung des Parallel Banking in der EU dafür ausgesprochen, den ESRB damit zu betrauen.
Ein weiterer wichtiger Baustein der erfolgreichen Finanzmarktpolitik der Hessischen Landesregierung ist die intensive Einbeziehung und Mitwirkung wissenschaftlicher Einrichtungen. So hat beispielsweise im Oktober 2010 das International Center for Insurance Regulation beim House of Finance in Frankfurt seine Arbeit aufgenommen. Aktuell unterstützt die Landesregierung zudem die Einrichtung des Forschungszentrums „Sustainable Architecture for Finance in Europe“ (SAFE) am House of Finance. Eines der wesentlichen Ziele des SAFE ist eine unabhängige Beratung der Politik bei anstehenden Finanzmarktthemen.
Als gemeinsame Initiative der Landesregierung, der Stadt Frankfurt, der Finanzindustrie und der Wissenschaft setzt sich schließlich Frankfurt Main Finance dafür ein, dass Frankfurt im internationalen Wettbewerb aktiv unterstützt wird. Mit attraktiven Veranstaltungen präsentiert sich Frankfurt im Bereich Regulierung, Finanzstabilität und Aufsicht mit Expertise und offenen Diskussionsplattformen. Auf diese Weise konnte man in internationalen Debatten bereits häufig eine Moderatorenrolle einnehmen.
Die Hessische Landesregierung wird die zukünftig anstehenden Regulierungsvorgaben sowie Fragen der Finanzstabilität auch weiterhin im Interesse des Finanzplatzes Frankfurt und der dort ansässigen Akteure aus dem In- und Ausland aktiv begleiten. Auch darüber hinaus wird sie sich dafür einsetzen, dass der Finanzplatz Frankfurt und die internationale financial community auch weiterhin über hervorragende realwirtschaftliche und regulatorische Rahmenbedingungen verfügen und dass Frankfurtinsgesamt als Finanzstandort an Attraktivität gewinnt.
Der 1966 geborene Autor hat Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg studiert und wurde 1999 zum Doktor der Rechte promoviert. Er war von 2005 bis 2009 Staatssekretär im Hessischen Ministerium der Justiz sowie von 2009 bis 2010 Staatssekretär im Hessischen Ministerium der Finanzen. Seit August 2010 ist Dr. Thomas Schäfer Hessischer Minister der Finanzen.