In München wird augenfällig wie sonst nirgendwo in der Republik: Der Erfolg der bayerischen – wie auch der gesamtdeutschen – Wirtschaft basiert auf einem Nebeneinander und Miteinander einer starken, innovativen Industrie und hoch spezialisierten Dienstleistungsunternehmen. Während andere deutsche Städte und Regionen nur über eine oder zwei „Leitbranchen“ verfügen, stützt sich Münchens Wirtschaftskraft auf mehrere, sehr unterschiedliche Standbeine. Die bayerische Landeshauptstadt ist Industrie- und Dienstleistungsmetropole zugleich, wobei die Finanzwirtschaft einer der zentralen Dienstleistungssektoren der Stadt ist. Sowohl das produzierende Gewerbe als auch die Finanzwirtschaft verfügen in München über Unternehmen mit Weltgeltung. Der Finanzplatz München ist eine der tragenden Säulen der bayerischen Wirtschaft.
Der Großraum München zählt dabei zu den bedeutendsten Finanzplätzen Europas. Er zeichnet sich durch einen hohen Grad an Diversifikation aus. So ist München und sein Umland der deutsche Versicherungsplatz Nummer eins, Bankenplatz Nummer zwei sowie die führende deutsche Stadt für Private Equity, Venture Capital und Leasing. Zudem ist die Stadt ein bedeutender Standort für das Asset Management. Die Bayerische Börse hat sich erfolgreich als schlagkräftiger Partner der Wirtschaft aufgestellt und macht München zu einem der innovativsten Börsenplätze in Europa.
Insgesamt sind rund 170 Kreditinstitute in München vertreten, davon haben rund 50 ihren Sitz in der Stadt. Zu diesen zählt mit der HypoVereinsbank auch die drittgrößte Bank Deutschlands, die zu einer der bedeutendsten europäischen Bankengruppen, der UniCredit Group, gehört. Durch den Zusammenschluss von HypoVereinsbank und UniCredit hat der Finanzplatz vor vier Jahren einen starken europäischen Player gewonnen der einen bedeutenden Teil seiner Geschäftsfelder und Kompetenzen – beispielsweise das Investment Banking – in München konzentriert hat.
In München sind jedoch nicht nur die Banken prägend für den Finanzplatz, sondern in ganz besonderem Maße die Versicherungsunternehmen. Im Versicherungsbereich gehört München auch weltweit zu den führenden Plätzen. Rund 70 Versicherungen mit rund 32.000 Mitarbeitern haben in der Landeshauptstadt ihren Sitz. Gerade angesichts der Finanzmarktkrise und ihrer Folgen ist das Vorhandensein mehrerer Säulen ein unschätzbarer Vorteil für den Finanzplatz und gibt der Finanzwirtschaft Münchens zusätzliche Stabilität. Denn wie überall auf der Welt waren es auch in München die Banken, die von der Finanzmarktkrise besonders stark betroffen waren.
Dabei wird diese Krise die Rahmenbedingungen, unter denen die Banken und die gesamte Finanzwirtschaft arbeiten, nachhaltig verändern. Und auch die übrige Wirtschaft wird aufgrund ihrer engen Verflechtung mit der Kreditwirtschaft spürbar von diesen Veränderungen betroffen sein. Mehrere große Entwicklungen sind zu erkennen, denen sich auch der Finanzplatz München stellen muss:
So wird es zu einer stärkeren Regulierung der Finanzwirtschaft kommen. Dies ist die Konsequenz aus einer der zentralen Erkenntnisse der Krise: dem partiellen Versagen der Selbstregulierungskraft der Finanzmärkte. Angestoßen von den G20-Staaten ist eine neue Finanzmarktarchitektur auf dem Weg der Umsetzung: Neue Strukturen der Bankenaufsicht, erhöhte Transparenz- und Berichtsanforderungen und insbesondere höhere Eigenkapitalanforderungen werden die Finanzwelt nachhaltig verändern sowie die Handlungsfreiheiten und -möglichkeiten der Finanzwirtschaft ohne Zweifel beschränken.
Auch durch diese Veränderungen stellen wir gegenwärtig ein neues Spannungsverhältnis fest: Einerseits werden die Banken von der Politik, aber auch seitens ihrer Kunden, unter Druck gesetzt, ihr Kreditengagement in der Krise voll aufrechtzuerhalten. Andererseits schränken die neuen Regulierungen und die höheren Eigenkapitalanforderungen die Kreditvergabemöglichkeiten der Banken massiv ein. Gleichzeitig ist der Risikotransfer mittels Verbriefung durch die teilweise Lähmung des Kapitalmarkts immer noch eingeschränkt, auch wenn hier in den vergangenen Monaten deutliche Verbesserungen zu konstatieren waren.
Der Finanzplatz München ist gefordert, diesem Trend etwas entgegenzusetzen. Auch vor diesem Hintergrund wurde daher im Sommer 2009 der bayerische Mittelstandspakt ins Leben gerufen. Politik, Wirtschaftsorganisationen und Kreditwirtschaft arbeiten in diesem Pakt eng zusammen, um gute Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Arbeit der mittelständischen Wirtschaft und zur Sicherung ihrer Arbeitsplätze zu schaffen. Konkret bedeutet dies: gemeinsam die Substanz der Unternehmen stärken; neue Wege in ein zukunftsorientiertes Wirtschaften öffnen und den notwendigen Strukturwandel frühzeitig anpacken. Zusätzlich wurden in einer gemeinsamen Anstrengung, an der auch die HypoVereinsbank beteiligt war, Leitlinien zur Sicherstellung der Kreditversorgung der bayerischen Wirtschaft entwickelt und umgesetzt.
Auch diese Initiativen gehören zu den Maßnahmen, die zu einer schnellen Rückgewinnung des Vertrauens in die Akteure der Finanzwirtschaft beitragen. Denn der Vertrauensverlust in die Banken, der den Finanzplatz München genauso trifft wie alle Finanzplätze, ist eine der einschneidensten Folgen der Krise. Um langfristig erfolgreich sein zu können, muss das gestörte Vertrauensverhältnis zu Kunden und Gesellschaft wieder vollkommen hergestellt werden. Die Akteure des Münchener Finanzplatzes arbeiten bereits intensiv daran, die Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Geschäftsmodelle werden auf nachhaltige Prinzipien ausgerichtet, in vielen Häusern ist ein intensiver Kulturwandel hin zu langfristigen Orientierungen festzustellen. Und auch in die internen Regularien fließen die Erfahrungen und Lehren der Krise ein.
Damit werden Voraussetzungen geschaffen, um das teilweise getrübte Verhältnis zu den Kunden wiederherzustellen. Nachhaltigkeit und Langfristigkeit sind die Stichworte, die jetzt am Finanzplatz München im Vordergrund stehen und gemeinsam von den Akteuren vertreten werden. Der Finanzplatz hat die Herausforderung angenommen. Er wird auch zukünftig ein innovativer und leistungsstarker Finanzplatz bleiben, der für die Unternehmen überzeugende Finanzierungslösungen bereithält.
Der Autor ist seit 2007 bei der UniCredit Group tätig; seit 2009 als Vorstandssprecher der HypoVereinsbank sowie als Country Chairman Germany Mitglied des Management Committees der UniCredit Group. Nach seinem Studium in Tübingen/St. Gallen und Promotion an der Universität Bonn arbeitete er bei McKinsey, Bain & Company und Goldman Sachs.