Warum ist klinische Arzneimittel-Forschung nötig?
Auftragsforschung
Medizinische Auftragsforschung, nicht zu verwechseln mit Marktforschung, ist ein junger Industriezweig, den es vor rund 30 Jahren noch gar nicht gab und der sich in den letzten zwei Jahrzehnten von isolierten, kleinen „Ein-Mann-Betrieben“ zu einer weltweit operierenden Branche entwickelt hat, deren größte Firma weltweit bis zu 40.000 Mitarbeiter beschäftigt. Wie kam das?
Was macht den Wert eines Arzneimittels aus?
Viele Krankheiten können gar nicht oder nur unzufriedenstellend behandelt werden. Manche der zur Verfügung stehenden, wirksamen Medikamente sind aber mit Nebenwirkungen belastet. Auch kommt es immer wieder vor, dass neue Krankenheiten auftauchen oder als solche erkannt werden. Neue oder bessere Medikamente wären daher für viele Patienten wünschenswert.
Arzneimittel unterscheiden sich von allen anderen Gütern in einem ganz wesentlichen Punkt. Nicht das Produkt selber – die Tablette, das Spray, die Ampulle und so weiter – macht den Wert aus, sondern einzig und allein die begleitende Information, das heißt die Anwendungsvorschrift, Dosierungs-Richtlinien, die Warnhinweise, die Gegenanzeigen. Die Information entscheidet darüber, wie nützlich oder wie schädlich das Produkt am Ende tatsächlich ist.
Die meisten Wirtschaftsgüter können vom Erwerber unmittelbar vor dem eigentlichen Einsatz problemlos selbst geprüft werden. Beispielsweise bei einem Auto: Schon bei der ersten Probefahrt kann man die Funktionsfähigkeit der Bremsen, Lenkung, Beleuchtung und so weiter, selbst ausprobieren. Im Extremfall könnte man sogar ein Auto vom Band nehmen und im Crashtest gegen die Wand fahren, um zu prüfen, wie viel der Fahrgastraum tatsächlich aushält und ob der Airbag auch tatsächlich auslöst – teuer, aber prinzipiell machbar.
Einfach mal probieren?
Ein Kranker braucht die Arznei sofort. Kann er die neue Tablette, mit dem neuen Wirkstoff, zu sich nehmen, auch wenn er nicht weiß, ob die Dosis richtig gewählt ist? Ist die Dosis zu gering, dann wirkt das Medikament nicht, die Krankheit hat Zeit, Dauerschäden zu verursachen; im Extremfall stirbt der Patient an seiner Krankheit. Ist die Dosis zu hoch, dann stirbt der Patient womöglich an einer Überdosis des Medikaments. Und ist es überhaupt das passende Arzneimittel für die passende Krankheit?
„Einfach mal ausprobieren“ ist bei Arzneimitteln ethisch nicht zu vertreten. Bei deren Anwendung muss man bereits vorher über vollständige und richtige Informationen verfügen, um das Arzneimittel in nützlicher und schadloser Weise überhaupt anwenden zu können – kommt die Information erst hinterher, dann kommt sie zu spät.
Welche Informationen braucht man?
Um entscheiden zu können, ob ein neues Arzneimittel überwiegend nützlich oder überwiegend schädlich ist, sind sehr viele wissenschaftliche Erkenntnisse unbedingt notwendig. Oft ist es auch nicht das Medikament selbst, sondern die Art und Begleitumstände der Anwendung, die Nutzen oder Schaden bedingen, zum Beispiel: die Dosis, Wechselwirkungen mit anderen, zusätzlich eingenommenen Medikamenten oder der Einfluss auf andere, gleichzeitig bestehende Krankheiten, und so weiter.
Informationen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen (sogenannte Nebenwirkungen) sind besonders wichtig: Sind die Nebenwirkungen bekannt, kann sie der Arzt im Auge behalten, sie rechtzeitig erkennen und das Medikament absetzen, noch bevor ein Dauerschaden eintritt.
Ebenso wichtig sind Informationen darüber, in welchen Situationen ein bestimmtes Arzneimittel gar nicht angewendet werden darf (sogenannte Kontraindikationen), weil für diese bestimmten Fälle schon von vornherein klar ist, dass ein möglicher Schaden den möglichen Nutzen übersteigt.
Der Mensch ist ein sehr komplexer Organismus. Große Unterschiede der verschiedenen Menschen, in Ernährung, Lebensweise, Arbeitswelt, klimatischer Region des Landes und so weiter, können die Komplexität von Erkrankungen und deren Behandlung noch zusätzlich erhöhen.
Königsweg: klinische Studien
Um die Nützlichkeit neuer oder verbesserter Medikamente schlüssig zu bewerten, sind daher ordnungsgemäße klinische Studien unverzichtbar. Nur in gut kontrollierten und überwachten klinischen Studien können zuverlässige Daten und Befunde erhoben werden, aus denen fundierte, allgemeine Empfehlungen zur Arzneimittel- Anwendung abgeleitet werden können.
Die internationalen wissenschaftlichen Standards sind in den letzten Jahren deutlich höher geworden. Die Anforderungen an den Nachweis des Nutzens, aber auch an den Nachweis über das Fehlen bedenklicher Nebenwirkungen, sind deutlich gestiegen.
Früher wurde manchmal nur eine einzige Studie als ausreichend angesehen, heute dagegen sind für die internationale Zulassung eines einzigen neuartigen Arzneimittels bis zu 30 klinische Studien am Menschen durchaus üblich. Nur in absoluten Ausnahmefällen, zum Beispiel ein Medikament für eine bisher unbehandelbare Krankheit, würde man sich mit weniger zufrieden geben.
Spezialisierte Auftragsforschungs-Institute
Die allgemein zunehmende Spezialisierung hat auch vor dem Phänomen „klinische Studien“ nicht Halt gemacht. Die ordnungsgemäße Durchführung von klinischen Studien am Menschen beruht auf vielen internationalen Leitlinien und nationalen Gesetzen, sodass schon die reine Abwicklung von klinischen Studien ein hohes Maß an Expertenwissen erfordert, völlig unabhängig vom medizinischen Fachgebiet, um das es jeweils geht.
Die Pharma-Industrie ist alleine nicht mehr in der Lage, ein derart hohes Aufkommen an klinischen Studien mit eigenen Resourcen durchzuführen. Daher baut die Pharma- und Biotech-Branche in zunehmendem Maße auf professionelle Auftragsforschungs-Institute, die sich auf die Abwicklung klinischer Studien auf internationalem Niveau spezialisiert haben.
Nach Abschluss seines Medizinstudiums und der Dissertation im Bereich der Neurophysiologie arbeitete Dr. de la Motte zunächst als Stabsarzt bei der Bundeswehr, in einem pharma-toxikologischen Labor sowie als Anästhesist in einem Klinikum. Seit 15 Jahren wirkt er für Harrison Clinical Research. Er ist Leitender Medizinischer Direktor des Unternehmens.