Das Zusammenwirken der Entwicklungen von Unternehmen und Standortregionen ist zu einem wesentlichen Wettbewerbsfaktor geworden. Aus der Sicht von Unternehmen stehen hierbei die Infrastruktur (Flächen, Verkehrsanbindung), die Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter, das Potenzial für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Nähe von Komplementärunternehmen (Lieferanten, Technologiepartner) traditionell im Fokus. Diese Bedingungen reichen als Entwicklungsfaktoren allerdings nicht aus. Hinzu kommen müssen Lebensbedingungen, die einen jeweiligen Standort als attraktiven Lebensraum prägen. Deshalb ist die soziale Infrastruktur (Schule, Gesundheit, Kultur, Einkaufsmöglichkeiten, Wohnbedingungen, soziales Klima) für Unternehmen von gleichwertiger Bedeutung. Die sogenannten „weichen“ Standortfaktoren werden somit zu harten Fakten in einem Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter. Wettbewerbsfähige, starke Unternehmen sind deshalb auf starke Regionen angewiesen. Unternehmen müssen deshalb ihre Beziehungen zu den sie umgebenden Regionen ausgestalten. In dieser Beziehung sind zum einen die Entwicklungsanforderungen an die Region durch die Unternehmen zu artikulieren, zum anderen müssen Unternehmen sich aber auch in die Entwicklung einer Region integrieren. Denn die Zielsetzungen von Regionalentwicklung können nicht einseitig von einem Unternehmen gesetzt werden. Diese Zielsetzungen werden von einer Vielzahl von Interessengruppen beeinflusst und sind darüber hinaus in einen Rahmen von Institutionen und Regulierungen eingebunden, die insbesondere für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben erforderlich sind (zum Beispiel Wirtschaftsförderung, Regionalplanung).
Aus diesen Gründen ist eine nachhaltige und verlässliche Kooperation erforderlich, die einerseits die eigenen Interessen konsequent verfolgt, die jedoch darüber hinaus integrationsfähig ist und sich in einen Gesamtzusammenhang regionaler Entwicklung stellt. In der Region Ingolstadt ist hierfür die Initiative Regionalmanagement Region Ingolstadt e.V. (IRMA) im Jahr 2008 gegründet worden. Diese Initiative ist als Verein organisiert, zu dessen Gründungsmitgliedern als Gebietskörperschaften die Stadt Ingolstadt sowie die Landkreise Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen gehören. Die Initiative war allerdings von Anfang an als öffentlich-private Kooperation angelegt und zählt deshalb zu ihren Mitgründern auch die Unternehmen AUDI AG, Bauer AG, EADS, Edeka Süd sowie Media Saturn AG. Die Finanzierung des Vereins und bestimmter Schwerpunktprojekte wird durch Mitgliedsbeiträge gewährleistet.
Gebietskörperschaften und Unternehmen verbindet mit IRMA die gemeinsame Überzeugung, durch eine intensive Zusammenarbeit bei der Formulierung von Entwicklungszielen der Region als auch bei der Realisierung von Projekten neue und zusätzliche Potenziale mobilisieren zu können, die allen Beteiligten zugutekommen. In einem Handlungskonzept zur Regionalentwicklung wurden vier Handlungsfelder identifiziert, die ausgefüllt werden sollen. Diese Handlungsfelder sind Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft, Tourismus sowie die Wahrnehmbarkeit der Region.
Im Handlungsfeld Wirtschaft steht die Identifizierung von Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Unternehmen im Vordergrund. Hierbei werden konzeptionelle Ansätze zu den Themenfeldern Leichtbau und Marketing erarbeitet. Darüber hinaus wird gegenwärtig eine Analyse weiterer Kooperationsfelder mit Unterstützung der TU München und der Katholischen Universität Eichstätt durchgeführt, die die vorhandenen Innovationspotenziale herausarbeitet und deren Stärke systematisch einordnet. Ein weiterer Schwerpunkt im Handlungsfeld Wirtschaft ist die Organisation verbesserter Zugangsmöglichkeiten mittelständischer Unternehmen zu den Hochschulen der Region und ihren Forschungseinrichtungen. Im Handlungsfeld Bildung und Wissenschaft wird gegenwärtig in einer Grundlagenstudie eine Analyse der regionalen Bildungsinfrastruktur erarbeitet. Diese wird Hinweise darauf liefern, wo Ergänzungs- und Verbesserungsbedarf besteht. Eine besondere Bedeutung wird hierbei die Schwerpunktbildung des laufenden Ausbaus der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Ingolstadt darstellen. In einem ersten Umsetzungsprojekt ist die Errichtung einer internationalen Schule in Ingolstadt realisiert worden, die durch die intensive Kooperation zwischen den Unternehmen und den Gebietskörperschaften eine sichere Grundlage erhält. Im Bereich Tourismus werden gegenwärtig Potenziale analysiert, die Wachstumschancen bieten. Hierbei wird im laufenden Analyseprozess erkennbar, dass die gemeinsame Entwicklung von Tourismusangeboten und die Weiterentwicklung der touristischen Infrastruktur geeignet sind, zusätzliche Potenziale zu erschließen. Dies wird mit Maßnahmen der Wirtschaftsförderung abzustimmen sein. Die Wahrnehmbarkeit der Region soll auf verschiedenen Ebenen gestärkt werden. Hierzu gehören ein Regionalportal, ein Tourismusportal sowie ein Ausbildungsportal, die kurz vor ihrem Start stehen. Kern der Wahrnehmbarkeit soll ein regionales Leitbild sein, das sowohl nach innen als auch nach außen für eine konsistente und glaubwürdige Erkennbarkeit der Region sorgt. Dieses Leitbild wird gegenwärtig in vier Zukunftswerkstätten erarbeit und bezieht mit rund 250 Beteiligten wesentliche Multiplikatoren und zivilgesellschaftliche Akteure der Region ein. Als weiterer Schwerpunkt der Wahrnehmbarkeit ist das Handlungsfeld Kultur herausgearbeitet worden, das mit einem internationalen Simon Mayr Festival und der Gründung einer europäischen Jazz-Akademie kulturelle Stärken der Region aufnimmt und wesentlich weiterentwickelt.
Die strategische Ausrichtung von IRMA und praktische Ausfüllung der Handlungsfelder wird allerdings nicht isoliert betrieben, sondern gezielt mit der EMM verbunden. Wir sehen IRMA und EMM nicht in einer Konkurrenz-, sondern in einer Ergänzungsbeziehung. Denn die Entwicklung der Region Ingolstadt kann strategisch sinnvoll nur im Kontext der Metropolregion gestaltet werden. Dies gilt für alle dargestellten Handlungsfelder. Deshalb engagiert sich die AUDI AG sowohl bei IRMA als auch in der EMM.
Zusammenfassend kann festgestellt werden: IRMA ist als öffentlich-private Kooperation zu einem festen Bestandteil regionaler Entwicklung geworden, in dem Unternehmen nicht nur Anforderungen stellen, sondern sich in regionale Entwicklungsprozesse bewusst integrieren. Somit ist IRMA auch ein Bekenntnis der Unternehmen zur Region. Hierbei gibt uns die Entwicklung der Mitgliederzahlen Recht.
Der Autor ist Mitglied des Vorstands der AUDI AG, Vorsitzender der Initiative Regionalmanagement Region Ingolstadt e.V. und Vorstandsmitglied der EMM. Er wurde 1958 in Salzgitter geboren und studierte Sozialwissenschaften an der Universität Göttingen. Nach langjähriger Tätigkeit beim Konzernbetriebsrat der Volkswagen AG sowie berufsbegleitender Promotion an der TU Braunschweig wechselte er zur AUDI AG.