Deutschland hat sich im vergangenen Jahr als Konjunkturlokomotive für ganz Europa entpuppt. Und der Motor dieser Lokomotive sitzt in Baden-Württemberg. Die bemerkenswert schnelle Erholung unserer Wirtschaft haben wir vor allem der hohen Leistungsfähigkeit der baden-württembergischen Unternehmen und Beschäftigten zu verdanken. Baden-Württemberg ist das Industrie-, Forschungs- und Exportland Nummer eins in Deutschland.
Zu der guten Entwicklung tragen maßgeblich die starken Branchen Fahrzeugbau, Maschinenbau, aber auch Elektrotechnik, Medizin-, Mess-, Regel- und Steuerungstechnik bei. In unserem Land sind Weltunternehmen wie Daimler, Bosch, Porsche, SAP oder ZF zu Hause, aber auch viele kleine und mittlere Unternehmen, die beispielsweise als hochqualifizierte Zulieferer bekannt sind oder sich weltweit einen Namen mit bedeutenden Spezialprodukten erworben haben. Technisch und qualitativ anspruchsvolle Produkte und Verfahren sind in der Regel das Resultat intensiver Forschung und Entwicklung (FuE). Hier nimmt Baden-Württemberg einen Spitzenplatz ein: Mit über 16,8 Milliarden Euro wurden 2008 im Bundesvergleich in Absolutbeträgen die meisten FuE-Ausgaben getätigt. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreicht mit über 4,6 Prozent einen bundesweiten Spitzenwert. Im Jahr 2007 waren 19 von 1.000 Erwerbstätigen in baden-württembergischen Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung tätig, bundesweit waren es dagegen nur zehn.
Innovationen setzen qualifiziertes Personal, Zugang zu neuesten Erkenntnissen aus der Wissenschaft sowie einen raschen, funktionierenden Technologietransfer voraus. Kein anderes Bundesland bietet eine solche Vielfalt an Hochschulen wie Baden-Württemberg. Forschung und Lehre vor allem an den Universitäten und Fachhochschulen des Landes haben hohe Qualität: Vier der bisher neun Eliteuniversitäten Deutschlands liegen hier. Die universitäre Spitzenforschung und deren Erfolge in unserem Land werden wir weiter unterstützen. Wichtiges „Saatgut“ für Innovationen in der Wirtschaft liefern auch wirtschaftsnahe, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Hierzu gehören die elf Forschungseinrichtungen der Innovationsallianz Baden-Württemberg sowie 16 Institute und Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft. Diese führen jährlich rund 5.000 Projekte im Auftrag der Wirtschaft sowie von öffentlicher Hand geförderte Forschungsprojekte durch. Von Bedeutung sind auch die Institute des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart und Lampoldshausen. Die Forschungseinrichtungen sind in ein funktionierendes System des Technologietransfers eingebunden.
Zu diesem gehören auch die mehr als 470 an den Hochschulen des Landes ansässigen Transferzentren der Steinbeis-Stiftung und die Innovationsberater der Kammern. Im Rahmen der Innovationsoffensive wurden seit Herbst 2008, zusammen mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm des Bundes und aus EU-Mitteln (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung – EFRE), Sonderinvestitionen in den wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen für über 137 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Die Landesregierung wird dazu beitragen, dass unsere leistungsstarke und vielfältige außeruniversitäre Forschungslandschaft weiterhin beste Bedingungen im Land vorfindet und ihre Standorte gezielt weiter ausbauen kann.
Die innovativen Herausforderungen liegen aber nicht nur in einzelnen bahnbrechenden Erfindungen, sondern vor allem auch in der Zusammenführung von Erkenntnissen aus mehreren Sachgebieten und Disziplinen. Angesichts komplexer Technologien und immer kürzerer Produktlebenszeiten gilt es, alle Akteure im Innovationsgeschehen enger miteinander zu vernetzen. Durch den Aufbau von Netzwerkorganisationen wie die Medien- und Filmgesellschaft (MFG), BIOPRO oder den Verein Mikrosystemtechnik Baden-Württemberg, aber auch durch die Förderung von Verbundforschungsprojekten zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen hat das Land hier bereits seit Jahren wichtige Impulse gegeben. Im Rahmen der zweiten Runde des Wettbewerbs wurden zur Stärkung regionaler Cluster in Baden-Württemberg zehn Initiativen in unterschiedlichen Technologie- und Branchenfeldern, wie beispielsweise der Luft- und Raumfahrt oder Metall- und Medizintechnik, prämiert. Sie erhielten Fördermittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für den Aufbau von Clustermanagement. Insgesamt werden damit, gemeinsam mit den Siegern aus der ersten Runde, 20 Clusterinitiativen im Land mit insgesamt rund fünf Millionen Euro unterstützt. Daneben konnte im Jahr 2010 der Aufbau von sieben landesweiten Netzwerken aus den Bereichen Kreativwirtschaft, Automotive, Umwelttechnologie, faserbasierte Werkstoffe, Logistik, Produktionstechnik und Mechatronik mit insgesamt 2,7 Millionen Euro, ebenfalls aus EFRE-Mitteln, unterstützt werden. Ferner waren baden-württembergische Bewerber in den letzten beiden Runden des Spitzencluster-Wettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sehr erfolgreich. So waren von zehn Anträgen in der engeren Auswahl vier siegreich, die aus Baden-Württemberg kamen beziehungsweise an denen hiesige Partner maßgeblich beteiligt sind. Die Gewinner stammen aus den Bereichen Software, Mikrotec, Biotechnologie und organische Elektronik.
Die Verbindung von Ökologie und Ökonomie ist ein zentrales Ziel der Landesregierung. Ökonomische Leistungsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung sollen besser miteinander verzahnt werden.
In derWirtschafts- und Technologiepolitik wollen wir dynamische und nachhaltige Wachstumsfelder für die Wirtschaft erschließen. In den Empfehlungen des unabhängigen Innovationsrats und des Gutachtens von McKinsey & Company und dem Institut für angewandte Wirtschaftsforschung e. V. (IAW) wurden die folgenden vier Bereiche als Zukunftsfelder mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten benannt: nachhaltige Mobilität; Umwelttechnologien, erneuerbare Energien und Ressourceneffizienz; Gesundheit und Pflege sowie Informations- und Kommunikationstechnologien, Green IT und intelligente Produkte. 60 Millionen Euro stehen im Rahmen eines Impulsprogramms für eine erste Umsetzungsrunde insbesondere in sogenannten Leuchtturmprojekten zur Verfügung. Hierzu gehören unter anderem die Einrichtung eines Leichtbauzentrums, eine neue Fraunhofer-Projektgruppe Leichtbau sowie Forschungsvorhaben am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in den Bereichen der Batterieproduktion und der Solarmodulforschung.
Die Landesregierung wird sich künftig dafür einsetzen, dass Baden-Württemberg als Heimat des Automobils zum Leitmarkt für automobile Spitzentechnologie und Elektromobilität wird sowie sich zugleich zum Leitanbieter für alternative Antriebe dynamisch weiterentwickelt. Wir brauchen schadstoffärmere, umweltfreundliche Autos. Teil der Landesinitiative zur Förderung der Elektromobilität ist die jüngst geschaffene Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie. Zur Initiative gehören auch Maßnahmen im Bereich der Forschungsinfrastruktur, der Aus- und Weiterbildung, der Verbund-/Projektförderung sowie verkehrliche Aspekte.
In der Wirtschafts- und Technologiepolitik werden weiterhin vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Fokus stehen. Sie haben zwar einen vergleichsweise geringen Anteil am gesamtwirtschaftlichen FuE-Volumen, sind jedoch zentrale Akteure bei der Anwendung und der Verbreitung von Innovationen. Dieser Aspekt ist für die baden-württembergische Wirtschaft von besonderer Bedeutung, da hier 60 Prozent aller Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe in KMU mit weniger als 500 Beschäftigten tätig sind. Nicht nur die Kunden mittelständischer Zulieferfirmen stellen höchste technologische und qualitative Ansprüche, sondern es sind auch beispielsweise die exportorientierten Hersteller von Nischenprodukten, die mit anspruchsvollen Produkten weltweit erfolgreich sind. Aus diesem Grund wollen wir den Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen zu Hochschulen und Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen verbessern.
Der Autor (Jahrgang 1973) ist seit Mai 2011 stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Finanzen und Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg. Dr. Nils Schmid studierte Rechtswissenschaften an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und promovierte im Jahr 2006. Seit 2009 ist er Landesvorsitzender der SPD in Baden-Württemberg.