
Die hessische Landeshauptstadt beabsichtigt, die heute schon als „Kulturmeile“ wahrzunehmende Wilhelmstraße um eine Attraktion zu bereichern. Nach dem Willen des Stadtparlaments soll auf dem Grundstück Ecke Wilhelmstraße/Rheinstraße, in direkter Nachbarschaft zum Landesmuseum und großer Nähe zur Rhein-Main-Halle ein neues Stadtmuseum errichtet werden. Anliegen dieses Hauses wird es sein, die Bewohner von Stadt und Region sowie Besucher aus dem In- und Ausland in zeitgemäßer Form zur Begegnung mit Wiesbaden in Geschichte und Gegenwart einzuladen.
Die langjährigen Vorbereitungen für die Umsetzung dieses deutschlandweit beachteten Vorhabens der vollständigen Neuerrichtung eines Stadtmuseums sind mit wichtigen Weichenstellungen in die entscheidende Phase eingetreten. Für die architektonische Gestalt wurde im Rahmen eines internationalen Realisierungswettbewerbs der prämierte Entwurf des Berliner Büros töpfer.bertuleit.architekten zur Umsetzung bestimmt. Auf rund 8.000 Quadratmetern Gesamtnutzfläche wird der Neubau alle Funktionen einer modernen, an den Publikumsansprüchen orientierten Museumsinstitution in einem passenden modernen Architekturgewand vereinen. Nach Passieren des lichtdurchfluteten Foyers, das mit seiner großzügigen Anlage auch für Veranstaltungen nutzbar sein wird, sollen sich vor dem Besucher über drei Etagen große Ausstellungsflächen mit zusammen rund 2.400 Quadratmetern für die historischen Darstellungen entfalten. Neben museumspädagogischen Arbeitsräumen werden ferner ein Vortragssaal sowie ein Bistro mit attraktiver Außenterrasse zur Verfügung stehen. Für die museumsinternen Belange bietet der Entwurf außer Verwaltungsräumen auch einer Fachbibliothek, Restaurierungsateliers sowie Depotflächen für die Unterbringung der Sammlungen Platz. In seinen Proportionen und der Anordnung der großflächig verglasten Öffnungen bezieht sich das geplante Museumsgebäude eng auf das städtebauliche Umfeld. Die aus simplen geometrischen Formen entwickelten Außenflächen verleihen dem Bau zugleich eine solitäre Erscheinung, die klar der aktuellen Architektursprache des 21. Jahrhunderts verpflichtet ist. Am Eingang der Wiesbadener Prachtstraße entsteht so mit dem Stadtmuseum ein markantes Bauwerk, das die hessische Landeshauptstadt sowohl als Ort des Bewusstseins für eine faszinierende Vergangenheit wie auch als moderne, der Gegenwart und Zukunft offen zugewandte Stadt charakterisiert. Die hessische Landesregierung unterstützt den Neubau mit einem finanziellen Beitrag.
Eine weitere Förderung von Landesseite erfolgt durch die vorgesehene Übergabe der renommierten Sammlung Nassauischer Altertümer an das Projektbüro Stadtmuseum. Mit 340.000 teils einzigartigen Objekten aus der Zeit der regionalen Vor- und Frühgeschichte bis ins frühe 20. Jahrhundert bilden diese bereits im 19. Jahrhundert begründeten Bestände eine hervorragende Grundlage für die künftige Ausstellungsarbeit. Ergänzend steht zudem eine rund 8.000 weitere Objekte umfassende Sammlung zur Geschichte der Region mit Schwerpunkt im 19.–21. Jahrhundert zur Verfügung, die das seit 2000 etablierte Projektbüro Stadtmuseum aufgebaut hat und kontinuierlich weiter ausbaut.
Die Themenstruktur und die Gestaltung der künftigen Dauerausstellung nehmen parallel zur Fortentwicklung der Bauplanungen ebenfalls bereits Kontur an. Den Ausgangspunkt bildet eine Konzeption, die im Zusammenwirken zwischen den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Projektteams und den Mitgliedern eines hochkarätig besetzten wissenschaftlichen Beirates stetig weiter entwickelt wird. Angestrebt ist eine nach modernen museologischen Erkenntnissen gestaltete Präsentation, die, unterteilt in drei große Abteilungen, einen chronologisch arrangierten Rundgang durch die Geschichte Wiesbadens ermöglicht. Neben Rückblicken auf die antike, mittelalterliche und frühneuzeitliche Vergangenheit der Stadt wird dabei großer Raum vor allem dem 19. und 20. Jahrhundert gewidmet sein. In eben diesen Perioden erlebte Wiesbaden als Residenzstadt des Herzogtums Nassau, als wilhelminische „Weltkurstadt“ sowie nach 1945 als hessische Landeshauptstadt den schrittweisen Aufstieg zur Großstadt und erlangte wiederholt überregionale, ja internationale Bedeutung. Auch die Stadtgeschichte während der Weimarer Republik und des NS-Regimes soll intensiv beleuchtet werden. Für die kreative Umsetzung der Dauerausstellung konnte mit Hans Dieter Schaal einer der bekanntesten Ausstellungsgestalter Deutschlands gewonnen werden. Ziel aller Planungsanstrengungen ist es, den künftigen Ausstellungsbesuch durch die Schaffung anschaulicher Exponatpräsentationen sowie ansprechend aufbereiteter Informationsangebote für Besucher aller Alters- und Herkunftsgruppen zu einem lehr- und erlebnisreichen Ereignis werden zu lassen. Entstehen soll eine moderne, didaktisch und historisch-wissenschaftlich anspruchsvoll arbeitende Museumsinstitution, die die bestehenden Erkenntnisse und Formen der stadtgeschichtlichen Forschung einem breiten Publikum vermittelt und zudem selbst aktiv bereichert.

Ein großer Wechselausstellungsbereich wird es ermöglichen, herausragende Themen, etwa der örtlichen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, zusätzlich in temporären Schauen auszubreiten.
Bereits heute leistet das Projektbüro Stadtmuseum mit Vorträgen, Kinderaktionen, Stadtspaziergängen und anderen Sonderveranstaltungen viele Beiträge zur Vertiefung der Kenntnisse der Stadtgeschichte. In Ausstellungen zu Themen wie Alexej Jawlensky in Wiesbaden, 100 Jahre Kurhaus oder Wiesbaden als Zentrale der Berliner Luftbrücke werden immer wieder neue stadtgeschichtlich relevante Aspekte erschlossen. Die positive öffentliche Resonanz auf diese Arbeit ist Ansporn für die verbleibenden Herausforderungen bei der Realisierung des Stadtmuseums. Die großen Potenziale, die aus diesem Museumsprojekt mit dem für 2014 vorgesehenen Eintritt in den Vollbetrieb nicht nur für die kulturelle Infrastruktur von Stadt und Region hervorgehen können, zeichnen sich immer deutlicher ab.
Der 1966 geborene Autor hat in Münster, Wien und Bonn Kunstgeschichte, neuere deutsche Literaturwissenschaft und Volkskunde studiert. Czech volontierte bei den Staatlichen Museen Kassel und wirkte an der Neukonzeption des Museums Schloss Wilhelmshöhe mit sowie als Direktionsassistent und Kurator beim Deutschen Historischen Museum in Berlin. Er ist Gründungsdirektor des Stadtmuseums Wiesbaden.