
Luftbild Turley: Anfang Oktober 2012 kaufte die Stadt Mannheim die Turley-Kasernen von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Zahlreiche Investoren werden nun ihre Projekte auf dem Areal realisieren.
Foto: Kay Sommer www.luftbild-mannheim.de
Es ist eine historische Chance für die Metropolregion Rhein-Neckar. Bis Ende 2015 werden die US-Streitkräfte rund 750 Hektar Militärflächen in Mannheim, Heidelberg und Schwetzingen freigeben. Für die betroffenen Städte stellt dies eine einmalige Gelegenheit zur Stadtentwicklung dar – und eine enorme Herausforderung. Von Anfang an hat sich die IHK Rhein-Neckar im Interesse ihrer Mitgliedsunternehmen aktiv am Dialog über die künftige Nutzung der Konversionsflächen beteiligt – eröffnen diese doch erhebliche Möglichkeiten für die Expansion der Firmen der Metropolregion ebenso wie für Neuansiedlungen. So haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass die von unserer Vollversammlung verabschiedeten Grundsatzpositionen zur Konversion wie die Ausweisung von Gewerbeflächen in die entsprechenden Leitlinien der Städte Mannheim, Heidelberg und Schwetzingen eingeflossen sind, die gemeinsam mit der Bürgerschaft erarbeitet wurden. Jetzt, da der Prozess immer mehr ins Rollen kommt, bieten wir im Rahmen zahlreicher Veranstaltungen und Besichtigungen in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen für Unternehmen unterschiedliche Plattformen, wo sich die Firmen informieren und mit den Verantwortlichen in direkten Kontakt treten können.
Das „Pilotprojekt“ in Mannheim – hier stehen allein über 500 Hektar Konversionsflächen zur Disposition – sind die Turley Barracks. Die Verhandlungen der Stadt Mannheim mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die das 13 Hektar große Gelände nahe der Mannheimer Innenstadt von der US-Army übernommen hatte, waren langwierig und kompliziert. Doch Anfang Oktober 2012 konnte die Stadt den „Vollzug“ melden. Der Verkauf der ersten von insgesamt zehn Konversionsflächen war unter Dach und Fach. Am 21. Januar 2013 war es dann soweit: Der Umbau der Kaserne in ein urbanes Wohn- und Kulturquartier startete. „SoHo-Turley“ nennt der Frankfurter Architekt und Ankerinvestor Tom Bock sein Projekt. Rund 100 Millionen Euro nimmt er in die Hand, um in den nächsten zehn Jahren seine Vision Realität werden zu lassen. Entstehen werden rund 300 Wohnungen, Büros, Gewerberäume, Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und Ateliers. Mit der Firma VRMagic, einem Hersteller von Simulatoren für die medizinische Ausbildung, steht auch bereits ein expandierendes Unternehmen bereit, das im Sommer in eines der sanierten unter Denkmalschutz stehenden Gebäude einziehen wird.
Das Thema Gewerbeflächen steht bei den 46 Hektar großen Taylor Barracks im Mannheimer Stadtteil Vogelstang auf der Agenda. Im Frühsommer hat dort der Bahntechnik-Spezialist Bombardier seine E-Mobility-Teststrecke eröffnet. Das Projekt ist der Auftakt zur geplanten Ingenieursmeile, die sich entlang der Konversionsflächen entwickeln soll. Hier engagieren sich neben Bombardier auch der Mannheimer Energieversorger MVV, der Motorenhersteller MWM und der Elektrokonzern ABB. Die bekannten Mannheimer Musiker Xavier Naidoo und Michael Herberger von den Söhnen Mannheims möchten ebenfalls auf dem Gelände aktiv werden und einen Medienpark errichten. Das zentrale Element soll ein Theater werden, dessen Bühne jedoch auch für Open-Air-Veranstaltungen genutzt werden kann. Gemeinsam mit der der Diringer & Scheidel Unternehmensgruppe haben Herberger und Naidoo ein Konzept für das gesamte Areal erarbeitet.
In Schwetzingen hat die IHK Rhein-Neckar einen Tag vor den offiziellen Übergabefeierlichkeiten Mitte März 2013 gemeinsam mit der Stadt Schwetzingen und der BImA einen Rundgang in den Tompkins Barracks organisiert. Ein Angebot, das von rund 180 Unternehmen aus der gesamten Metropolregion Rhein-Neckar angenommen wurde. Sie besichtigten unter anderem eine von den US-Streitkräften genutzte Fahrzeughalle sowie Unterkunfts- und Kantinenräume. Die Stadt Schwetzingen setzt bei dieser 36 Hektar umfassenden Fläche vorrangig auf die Ansiedlung von Gewerbe. In den denkmalgeschützten Kasernen aus den dreißiger Jahren sind beispielsweise Büros für Unternehmen der Kreativwirtschaft und Start-ups denkbar. Auf den großen Freiflächen denkt die Kommune an eine Nutzung für Distribution und Logistik – und begrüßt die Chance, endlich wieder eigene Gewerbeflächen ausweisen zu können. In der kleineren Kilbourne-Kaserne ist eine Wohnsiedlung vorgesehen.

Die IHK bietet mit zahlreichen Veranstaltungen zum Thema Konversion – wie hier in Heidelberg – eine Diskussionsplattform für ihre Mitgliedsunternehmen.
Auch in Heidelberg sind Industrie- und Gewerbeflächen Mangelware. Die Konversionsflächen in einer Größenordnung von rund 200 Hektar könnten hier Abhilfe schaffen. Doch noch dominieren in der Stadt am Neckar die Themen Wohnen, Freizeit und Grünflächen die öffentliche Konversions-Diskussion. Deshalb ist es gerade in Heidelberg besonders wichtig, dass sich die Wirtschaft hier einbringt. Über den Entwicklungsbeirat, ein beratendes Gremium mit Vertretern von Verbänden, Institutionen und der Politik, ist die IHK Rhein-Neckar in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Vor allem auf dem Gelände der Patton Barracks entlang der Speyerer Straße besteht jedoch eine gute Möglichkeit, Unternehmen anzusiedeln. Weitere Optionen gibt es auf dem Airfield, auf dem Hospital-Areal und in der Südstadt rund um das Hauptquartier. Als Schwerpunkt sieht Heidelberg die Ansiedlung forschungsnaher mittelständischer Unternehmen, aber auch die Erweiterung örtlicher Handwerksbetriebe, denen bisher keine Expansionsperspektive geboten werden konnte. Auf der größten Fläche, dem Patrick Henry Village, und dem Mark Twain Village wird sich Heidelberg mit der Lösung eines weiteren Problems befassen, das der Stadt unter den Nägeln brennt – der Schaffung von Wohnraum.
Die Konversion in der Metropolregion Rhein-Neckar nimmt Fahrt auf – ein Projekt, das die Region in den nächsten Jahren und Jahrzehnten begleiten und prägen wird. Doch die Weichen für die Zukunft werden jetzt gestellt.
Der Autor ist Präsident der IHK Rhein-Neckar. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre promovierte er 1979 an der Universität Mannheim. Danach übernahm er eine leitende Tätigkeit in einer Wirtschafts- und Steuerprüfungskanzlei. 1983 wechselte er in den Vorstand der Fuchs Petrolub, bevor er 1999 Vorstandsmitglied der FAG Kugelfischer AG wurde. Seit Oktober 2004 ist er Geschäftsführer der Fuchs Interoil GmbH.