Der französische Schriftsteller Paul Lacroix verglich einmal die Idee, Europa einen zu wollen, mit dem Versuch, ein Omelett zu backen, ohne Eier zu zerschlagen. Das Erstaunliche daran ist, dass Lacroix dieses Bild bereits vor mehr als 170 Jahren prägte. Blicken wir heute auf noch nicht einmal 20 Jahre grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Dreiländereck von Sachsen, Tschechien und Polen zurück, scheint es fast so, als tickten die Uhren dort anders – nämlich schneller. Denn es ist ohne Frage beeindruckend, wie viele gemeinsame Projekte im Grenzraum zwischen Deutschland, Polen und Tschechien in vergleichsweise kurzer Zeit realisiert werden konnten. Vielleicht lässt es sich ja – trotz der lange Zeit vorherrschenden ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Unterschiede – auf ein Fundament, das als Wirtschaftsdreieck Sachsen-Böhmen-Schlesien einmal zu den stärksten und dynamischsten Regionen Europas zählte, heute besser aufbauen als anderswo. Zumindest verdeutlicht die positive Entwicklung der letzten knapp zwei Jahrzehnte, wie stark die Bindungen zwischen den Lebensräumen der Menschen beiderseits der Grenzen immer noch sind. Ein starkes Argument auch für noch Kommendes.

Bedingt durch die geografische Lage Sachsens wird die Entwicklung des Freistaates selbst mehr denn je durch Prozesse jenseits der rund 570 Kilometer langen Staatsgrenze beeinflusst. Betrachtet man die regionale Verteilung der Wohnbevölkerung Sachsens, ist festzustellen, dass in den grenznahen Gebieten rund ein Drittel davon lebt. Darüber hinaus macht die Grenzregion sogar annähernd die Hälfte der sächsischen Landesfläche aus. Nach der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 ist der Stellenwert der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Tschechien und Polen für Sachsen erwartungsgemäß noch einmal angestiegen und fand so auch Eingang in den Landesentwicklungsplan des Freistaates. Sachsen hat darin Ziele zur Entwicklung von grenzübergreifenden Kooperationen, für gemeinsame grenzüberschreitende regionale Raumordnungspläne und die Erstellung und Umsetzung gemeinsamer Konzepte definiert, ohne dabei die kulturelle Vielfalt des europäischen Raumes und die Chancen aller Beteiligten zu beschneiden. Diesen Planungen folgend, wurde in der letzten EU-Strukturfondsförderperiode von 2000 bis 2006 auch ein erheblicher Teil der auf Sachsen entfallenden Mittel für die Entwicklung dieser Grenzregion eingesetzt.
Für die Entwicklung grenzüberschreitender Kooperationen und den Ausbau nachbarschaftlicher Beziehungen wird Sachsen jedoch schon deutlich länger die Hilfe der EU zuteil.
Bereits seit Anfang der 90er Jahre unterstützt die Europäische Union im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative INTERREG vielfältige Vorhaben, die die gemeinsamen Grenzgebiete zu einem zukunftsfähigen Wirtschafts- und Lebensraum weiterentwickeln sowie die Wettbewerbsfähigkeit des sächsisch-tschechischen und sächsisch-niederschlesischen Grenzraumes steigern sollen. Mit dem Programm INTERREG III A findet diese Entwicklung in der Förderperiode 2007–2013 ihre Fortsetzung
als eigenständiges Ziel mit dem Titel „Europäische territoriale Zusammenarbeit – grenzübergreifende Zusammenarbeit“ sowie im „Operationellen Programm der grenzübergreifenden Zusammenarbeit Sachsen – Tschechien – Polen 2007–2013“. Die dabei gewährte Projektförderung stellt hohe Anforderungen an die Qualität der Kooperation zwischen den Partnern auf beiden Seiten der Grenzen, um tatsächlich eine nach-
haltige territoriale Entwicklung zu gestalten und umzusetzen.
Für die Arbeit der Industrie- und Handelskammer Dresden, deren Kammerbezirk sich in direkter Nachbarschaft zu Polen und Tschechien befindet, im Osten mit einer Länge von 112 Kilometern an die polnischen Wojewodschaften Dolnoslaskie (Niederschlesien) und Lubuskie (Lebus) grenzt sowie im Süden mit einer Grenzlinie von 205 Kilometern zu Tschechien und dem Bezirk Nordböhmen, hat diese spezifische Lage natürlich auch gravierende Auswirkungen.
Trotz der Tatsache, dass die Vielzahl der hier ansässigen Betriebe in ihrer heutigen Form erst in den Nachwendejahren entstanden ist, finden sich nach wie vor traditionelle wirtschaftliche Verflechtungen zwischen Sachsen, Böhmen und Niederschlesien, denen heute durch Kooperations-, Dienstleistungs- und Absatzbeziehungen neues Leben eingehaucht wurde.
Welches beachtliche Niveau bereits erreicht wurde, macht allein schon ein Blick auf die sächsische Außenhandelsstatistik deutlich. Unter den Top-Zielre-gionen von Produkten und Leistungen aus dem Freistaat rangierte Polen 2008 mit fast 1,5 Milliarden Euro, lediglich überflügelt von den USA, auf einem hervorragenden zweiten Rang, Tschechien kam mit rund 1,2 Milliarden immerhin noch auf einen beachtlichen Platz sieben. Ganz vorn rangiert der südliche Nachbar dafür mit 2,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr bei den sächsischen Importen, aus Polen wurden Waren und Leistungen im Wert von 1,3 Milliarden Euro eingekauft, was Rang drei bedeutete.
Mit ihren Kontaktzentren für sächsisch-tschechische Wirtschaftskooperation in Dresden und Zittau sowie für sächsisch-polnische Beziehungen in Görlitz initiiert die Kammer seit vielen Jahren ganz praktische grenzüberschreitende Wirtschaftsförderung, durch die Gewährung vielfältiger Auskünfte, die Durchführung von Veranstaltungen, oder die Vermittlung einzelbetrieblicher Kontakte und die Organisation bi- oder trinationaler Projekte.
Dass dieses Engagement Wirkung zeigt, haben die regionalen Unternehmen bereits mehrfach attestiert. Bisher sind vor allem Firmen des produzierenden Gewerbes und des Handels in den Genuss grenzüberschreitender Geschäftsvorteile gekommen. Reale Distanzen – von allen Orten des Kammerbezirks in die angrenzenden Nachbarländer – stellen dabei nach Auskunft vieler Betriebe kein echtes Hindernis dar. Am ehesten setzt hier die vorhandene Straßeninfrastruktur noch Grenzen. In Zukunft werden mit großer Sicherheit noch weitere Branchen zu den Profiteuren beiderseits der Grenzen gehören, denn die Region zwischen Sachsen, Polen und Tschechien wird sich weiter angleichen und zu noch größeren wirtschaftlichen Verflechtungen gelangen.

Mit diesem fortschreitenden Prozess wird sich aber auch der Wettbewerbsdruck auf alle Unternehmen des trinationalen Wirtschaftsraumes erhöhen. Für unsere sächsischen Firmen könnte dies durchaus größere Herausforderungen mit sich bringen als für tschechische und polnische, welche ihre neue Positionierung zwischen billiger oder technologisch hochwertiger, aber kostenintensiverer Produktion noch suchen. Die intensive Nutzung der bestehenden IHK-Kontaktzentren für Wirtschaftskooperation, die Umsetzung der Kooperationsvereinbarungen der sächsischen Kammern mit denen in den Nachbarländern, grenzüberschreitende Projekte von Verbänden, Unternehmensnetzwerken und Technologiezentren können und müssen diesen Prozess daher aktiv und wegweisend begleiten.
Trotz des schon Erreichten und des ab und zu durchaus auch verdienten Innehaltens und Zurückblickens muss es gelten, weiter nach vorn zu schauen, sich weiter zu verbessern und neue Potenziale zu erschließen. Denn letztlich lassen sich die drei aneinander grenzenden Länder und die EU die Entwicklung dieser Grenzregionen nicht ohne Grund einiges kosten.
Wie die Zukunft genau aussehen wird, weiß niemand, konkrete Vorstellungen und Erwartungen existieren aber sehr wohl. So, dass die Euroregion noch mehr als eine gemeinsame Region erkannt und sich gleichermaßen attraktiv für Unternehmer wie für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darstellen und entwickeln wird. Nicht abstrakte Diskussionen über die Konkurrenz um den niedrigsten Lohn und die höchsten Subventionen dürfen die bestimmenden Themen sein, sondern die Ausstrahlung als Entwicklungsregion mit vielfältigen Potenzialen. Dafür müssen zusätzliche Initiativen entwickelt werden, die wiederum Impulse auslösen können.
Der 1956 gebürtige Magdeburger hat in Leipzig Ökonomie studiert und wurde 1986 an der Hochschule für Verkehrswesen Dresden promoviert. Beruflich begann er als wissenschaftlicher Assistent an der Hochschule für Verkehrswesen Dresden, wechselte aber 1988 zur Dresdner Elektromaschinenfirma VEM. Seit 1998 wirkt er für die IHK Dresden, deren Hauptgeschäftsführer er seit 2003 ist.