Nicht von ungefähr ist die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt zum bedeutenden Medienstandort geworden: Der berühmteste Mainzer aller Zeiten, Johannes Gensfleisch vom Hofe zum Gutenberg, schrieb hier als erster „Start-up-Medienunternehmer“ Geschichte.
In den Jahren 1452 bis 1455 druckte Gutenberg in Mainz seine 42-zeilige Bibel: das erste mit beweglichen, wieder verwendbaren Metalllettern gedruckte Buch der westlichen Welt und der erste Auflagendruck der Druckgeschichte mit vermutlich 180 Exemplaren, von denen sich weltweit 49 erhalten haben.
Mit seinen Erfindungen und Entwicklungen von allem, was zum Buchdruck benötigt wurde – vom Handgießinstrument über Setzkasten und Druckerballen bis zur Druckerpresse – wurde Gutenberg zum Bahnbrecher einer neuen Technologie. Der geschäftstüchtige Erfinder gründete einen rasant wachsenden Unternehmenszweig, leitete den Medienwandel von der Handschrift zum gedruckten Buch ein und legte damit das Fundament zur Medienrevolution und Massenkommunikation unserer Zeit.
1470 wurde bereits an 17 Orten in Europa gedruckt, bis zum Jahr 1500 in mehr als 250 Städten. Durch die Jahrhunderte behielt die von Gutenberg entwickelte Technik in Hand- und Maschinensatz nahezu konkurrenzlos Gültigkeit, bis sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Hochgeschwindigkeits-Maschinen und in der Folge durch die fortschreitende Digitalisierung und immaterielle Verfahren völlig verdrängt wurde.
Dem Namen Gutenberg begegnet man in Mainz auf Schritt und Tritt: mehrere Denkmäler, ein Platz, ein Gymnasium, eine Straße, eine Gaststätte und ein Einkaufscenter tragen den Namen des Erfinders, ebenso wie die Johannes Gutenberg-Universität, die Internationale Gutenberg-Gesellschaft, die alle zwei Jahre den Gutenberg-Preis vergibt, die Gutenberg-Stiftung, die Büchergilde Gutenberg oder der Gutenberg-Kammerchor.
Das „Weltmuseum der Druckkunst“ ist Erinnerungsort, Schatzhaus der Buchkunst und ein außergewöhnlicher Lernort, zu dem auch der „Druckladen“, die museumspädagogische Werkstatt des Gutenberg-Museums, wesentlich beiträgt. Über 125.000 Gäste aus aller Welt besuchen jährlich das Haus, dem Umberto Eco, Gutenberg-Preisträger des Jahres 2014, bescheinigte: „Der Weg zur wahren Wiege des gedruckten Buches führt nach Mainz ins Gutenberg-Museum. Für den Bibliophilen, den Freund des Buches, ist das wie eine Pilgerreise nach Jerusalem oder nach Mekka.“ In der nachempfundenen Gutenberg-Werkstatt wird täglich demonstriert, wie man zu Gutenbergs Zeiten druckte. Im begehbaren Tresor gehören zwei Exemplare der Gutenberg-Bibel – das sogenannte Solms-Laubach-Exemplar und das in zwei Bänden vollständig erhaltene Shuckburgh-Exemplar – zu den Besuchermagneten.
Weltweit kennt man Gutenberg, aber seine Person liegt weithin im Dunkeln. Sein Geburtsdatum – um 1400 – ist nicht bekannt. Kein zeitgenössisches Bildnis, kein originales Werkzeug, nichts Persönliches ist überliefert. Nur in einigen Dokumenten und Gerichtsakten taucht sein Name auf.Mit beweglichen Lettern aus Ton, Holz oder Metall hatten Chinesen und Koreaner schon lange vor Gutenberg gedruckt; sie arbeiteten in ihren Schriftsystemen indes mit völlig anderen Verfahren – und aus einer anderen Motivation heraus. Gutenberg entwickelte eine neue Technik. Die serielle Produktion genormter Einzelteile hatte er bereits in Straßburg erprobt und Pilgerspiegel für eine Wallfahrt produziert. Hier nahm das geheimnisvolle Großprojekt „aventur und kunst“ seinen Anfang. Zur Reife kam es in der Vaterstadt. Dazu war Geld nötig – viel Geld. Um den Bibeldruck zu finanzieren, musste Gutenberg zwei Kredite über je 800 Gulden vom Mainzer Kaufmann Johannes Fust aufnehmen. Hierüber kam es zu einem Streit, in dessen Folge die Offizin an Fust ging, der sich mit Gutenbergs Gesellen Peter Schöffer zusammentat. Beide Partner brachten es zu Ruhm und Wohlstand.
Was Gutenberg dann unternahm, wie und wofür er das ihm verbliebene Kapital einsetzte, lässt Raum für Spekulationen. Er druckte weiter, vermittelte und verkaufte sein Wissen gewinnbringend. Zur Einrichtung einer Druckwerkstatt und einem Bibeldruck in Bamberg trug er bei, für den König von Frankreich lernte er einen Drucker an. Über Gutenbergs letzte Lebensjahre, seinen Tod – vermutlich am 3. Februar 1468 – in Mainz und sein Begräbnis in der längst niedergelegten Franziskanerkirche gibt es Nachrichten. Seine Gebeine aber sind verschollen.
Gutenbergs Leistung und Bedeutung sind von globaler Bedeutung. Im Jahr 2000 wählten ihn amerikanische Journalisten zum „Mann des Jahrtausends“. In Korea kennt nahezu jedes Kind seinen Namen; die neue Wanderausstellung des Gutenberg-Museums „Fortschritt! Frisch gepresst“ vermittelte 2016 in mehreren Städten Südkoreas einem großen Publikum die Neuerungen und Probleme, die Gutenbergs Erfindung mit sich brachten. Neue Arbeitsplätze entstanden etwa für Drucker, Redakteure, Autoren, Illustratoren, Holzschneider, Buchhändler, Schriftschneider und -gießer. Herrscher, Reformatoren und Revolutionäre nutzten den Druck, Lesefähigkeit, allgemeine Bildung und Teilhabe an politischen Prozessen nahmen zu, Wissen demokratisierte sich.
Für das Gutenberg-Museum bringt der Medienwandel vom Gutenberg- ins „Google“-Zeitalter neue und überaus spannende Aufgaben. Es befindet sich im Auf- und Umbruch hin zum „Museum der Zukunft“, mit neuer Architektur und neuem Ausstellungskonzept, um die vielfältigen gewachsenen Bestände angemessen zu präsentieren. Der in Anlehnung an Johannes Gutenberg seit 2011 neu etablierte Themenschwerpunkt Typographie “katapultierte“ mit mehreren preisgekrönten Sonderausstellungen das Haus „ins 21. Jahrhundert“, wie die Presse lobte. Die Geschichte von Schrift, Druck, Buch und Medien, ihrer Erfindung, Herstellung und Vertriebswege ist der Schlüssel zum Verständnis unserer globalisierten Informationsgesellschaft. Die unvergleichliche „Erfolgsgeschichte Gutenberg“ geht weiter.
Dr. Annette Ludwig
Annette Ludwig studierte Kunstgeschichte, Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Baugeschichte an der Universität Karlsruhe. Sie war als Kuratorin tätig. 2010 wurde Dr. Ludwig zur Direktorin des Gutenberg-Museums Mainz berufen. Seit 2008 ist sie Lehrbeauftragte am Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaften des Karlsruher Instituts für Technologie (ehemals Universität Karlsruhe) und an der Akademie für wissenschaftliche Weiterbildung. Sie ist in zahlreichen Gremien tätig, u. a. als 1. Vorsitzende der Gesellschaft der Bibliophilen.