Die Schweiz entwickelte sich über mehr als sieben Jahrhunderte aus einem Bündnis der drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden zur heutigen aus 26 Kantonen gegliederten Schweizerischen Eidgenossenschaft. Nebst dem Bund und den Kantonen gibt es mit den 2.715 Gemeinden noch eine dritte politische Ebene. Auf jeder dieser drei Ebenen verfügen die Schweizerinnen und Schweizer über weitgehende Mitbestimmungsrechte.
Rund 40 Prozent der von 1900 bis 2000 weltweit erfolgten Abstimmungen entfielen auf die Schweiz. Eine weitere Besonderheit stellt die Viersprachigkeit der Schweiz dar. Deutsch sprechen rund 64 Prozent, Französisch 20 Prozent, Italienisch sechs Prozent und Romanisch 0,5 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner.
Daneben werden selbstverständlich noch weitere Sprachen gesprochen, sie gelten aber nicht als „Landessprachen“. Die Verschiedenheiten in Sprache und Kultur bedingen eine bundesstaatlich aufgebaute Gemeinschaft wie sie die Schweizerische Eidgenossenschaft darstellt.
Die Schweiz ist föderalistisch gegliedert: Der Bund ist überall dort zuständig, wo ihn die Verfassung dazu ermächtigt, beispielsweise in der Aussen- und Sicherheitspolitik, beim Zoll- und Geldwesen, in der landesweit gültigen Rechtsetzung und in der Verteidigung. Aufgaben, die nicht ausdrücklich Bundessache sind, fallen in die Zuständigkeit der Kantone. Dies betrifft etwa die Bereiche Gesundheitswesen, Bildung und Kultur.
Jeder Kanton hat eine eigene Verfassung, ein eigenes Parlament, eine eigene Regierung und eigene Gerichte. Die Gemeinden erfüllen schließlich die ihnen vom Bund oder vom Kanton zugewiesenen Aufgaben wie etwa das Führen der Einwohnerregister oder den Zivilschutz.
In kaum einem Staat gibt es so weitgehende Mitbestimmungsrechte des Volkes wie in der Schweiz. Auf Bundesebene haben die Schweizerinnen und Schweizer folgende politische Rechte: Sie wählen die Abgeordneten für das Parlament, welches aus zwei gleichberechtigten Kammern, dem National- und dem Ständerat, besteht. Der Nationalrat umfasst 200 Sitze. Diese werden nach der Bevölkerungszahl auf die 26 Kantone verteilt, welche die Wahlkreise bilden. Dieses Verfahren garantiert eine proportionale Vertretung der schweizerischen Gesamtbevölkerung im Nationalrat. Demgegenüber besteht der Ständerat aus jeweils zwei vom Volk gewählten Abgeordneten der Kantone. Da in dieser Kammer somit jeder Kanton unabhängig von seiner Bevölkerungsstärke gleich stark vertreten ist, können sich auch die kleineren Kantone auf Bundesebene Gehör verschaffen.
Die Regierung (Bundesrat) wie auch das oberste Gericht des Landes (Bundesgericht) werden vom Parlament gewählt. Ferner können die Stimmberechtigten rund vier Mal pro Jahr im Rahmen von Referenden und Initiativen über Sachfragen abstimmen. Dem Referendum unterstehen alle Änderungen der Verfassung sowie der Beitritt zu bestimmten internationalen Organisationen. In diesen Fällen findet immer eine Volksabstimmung statt. Zur Annahme einer solchen Vorlage braucht es ein doppeltes Mehr: einerseits das Volksmehr, das heisst die Mehrheit der gültigen Stimmen im ganzen Land, und andererseits das Ständemehr, das heisst eine Mehrheit von Kantonen, in denen die Stimmenden die Vorlage annehmen.
Geänderte oder neue Gesetze und ähnliche Beschlüsse des Parlaments sowie bestimmte völkerrechtliche Verträge kommen nur fakultativ zur Abstimmung, nämlich nur, wenn dies von 50.000 Stimmberechtigten verlangt wird. Zur Annahme einer derartigen Vorlage genügt das Volksmehr. Eine Änderung der Verfassung kann schliesslich auch auf dem Weg der Volksinitiative erfolgen: 100.000 Stimmberechtigte können eine solche Änderung verlangen. Ähnliche Mitbestimmungsrechte gibt es für das Volk auch auf Kantons- und Gemeindeebene. Sehr ausgeprägt sind die Mitbestimmungsrechte bei der „Landsgemeinde“ in den Kantonen Glarus und Appenzell-Innerrhoden. Die Landsgemeinde ist eine Versammlung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Alle Stimmberechtigten können hier Anträge stellen, und es wird offen gewählt und abgestimmt.
Die Schweiz erkennt Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch als „Landessprachen“ an. Die Viersprachigkeit bedeutet, dass die vier Sprachgemeinschaften kulturell und formell gleichberechtigt sind. Das Bekenntnis zur Viersprachigkeit ist nicht nur eine Absichtserklärung, sondern enthält auch eine grundsätzliche Verpflichtung zum Erhalt dieser vier Sprachen und stellt ein Wesensmerkmal der Schweiz dar.
Folglich zielt die schweizerische Sprachenpolitik darauf ab, die Viersprachigkeit zu stärken, den inneren Zusammenhalt zu festigen, die Mehrsprachigkeit zu fördern und insbesondere die beiden kleineren Sprachgruppen Italienisch und Rätoromanisch zu erhalten.
Die Kommunikation zwischen dem Bund und den Bürgerinnen und Bürgern erfolgt in einer der drei sogenannten „Amtssprachen“ Deutsch, Französisch oder Ita-lienisch sowie im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache in Rätoromanisch. Bundesbehörden sind damit verpflichtet, im amtlichen Verkehr Eingaben oder Anfragen, die in einer der genannten Sprachen gemacht werden, in dieser Sprache weiterzubehandeln. Veröffentlichungen des Bundes und damit auch alle Erlasse haben gleichzeitig in Deutsch, Französisch und Italienisch zu erfolgen. Auf Rätoromanisch werden Erlasse des Bundes nur veröffentlicht, wenn sie von besonderer Bedeutung sind. Im Internet, auf Briefköpfen und dergleichen präsentiert sich der Bund indes stets in allen vier Landessprachen.
Schliesslich ist von Verfassungs wegen vorgeschrieben, dass bei der Wahl der Regierung auf eine angemessene Vertretung der Sprachregionen zu achten ist. Für das Bundesgericht und das Personal der Bundesverwaltung gelten ähnliche Vorgaben.
Was bedeuten nun Föderalismus, direkte Demokratie und Mehrsprachigkeit für den Wirtschaftsstandort Schweiz? Ich bin überzeugt davon, dass diese Prinzipien den Standort Schweiz für Unternehmen attraktiv machen. So führt etwa der Föderalismus zu dezentralen Strukturen, zu Bürgernähe und damit auch zu einem unkomplizierten Zugang zu Behörden. Mit den demokratischen Mitwirkungsrechten können die Bürgerinnen und Bürger sodann über wesentliche Fragen mitbestimmen, was eine effiziente Kontrolle der Politik, insbesondere auch der Staatsfinanzen, ermöglicht. Die Interessen Betroffener (Kantone, Verbände, Bürgerinnen und Bürger) werden frühzeitig erkannt und aufgenommen. Und die Mehrsprachigkeit ermöglicht es den betroffenen Sprachgemeinschaften, ihre Identität zu bewahren. Zusammen mit dem frühen Einbezug der jeweils Betroffenen und den Vorkehrungen zu Gunsten regionaler Minderheiten führt dies in der Schweiz zu politischer Stabilität, was im Interesse der Wirtschaft liegt – und, ebenso wichtig, im Interesse der in der Schweiz lebenden Einwohnerinnen und Einwohner.
Corina Casanova studierte Rechtswissenschaften mit Promotion und erwarb 1984 das Rechtsanwaltspatent. Sie war als Rechtsanwältin sowie als Delegierte des Internationalen Komitees des Schweizer Roten Kreuzes tätig. Daraufhin arbeitete sie für die Parlamentsdienste des Bundes und das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten. Im Jahr 2005 wurde sie Vizekanzlerin, seit 2008 ist sie Bundeskanzlerin der Schweiz.