Unsere Gesellschaft verändert sich nachhaltig und vor allem rasant. Das Wissen der Welt verdoppelt sich alle fünf Minuten. Wenn Wissen und Bildung früher einmal für das gesamte Leben galten, so müssen wir dies heute beständig hinterfragen und uns kontinuierlich weiterbilden. Eine abgeschlossene Bildungslaufbahn kann es schon deshalb nicht geben. Diesem Wandel sind auch die sächsischen Bildungseinrichtungen verpflichtet.
Die frühkindliche Bildung beginnt bereits in den gut 2.800 sächsischen Kindertageseinrichtungen. Sie basiert auf dem 2006 veröffentlichten Sächsischen Bildungsplan. Er denkt Bildung in einem ganzheitlichen Ansatz und vom Kind her, um das bestmögliche Fundament für einen späteren Bildungserfolg in der Schule zu legen. Um vor allem im Bereich der naturwissenschaftlichen, technischen und mathematischen Bildung dem Wissensdrang der Kinder gerecht zu werden, nutzen viele unserer Kindertageseinrichtungen sowie auch Horte und Grundschulen die Angebote der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“.
Dass diese Initiative einrichtungsübergreifend angelegt ist, macht deutlich, wie wichtig die Übergänge zwischen den einzelnen „Bildungsebenen“ sind. In Sachsen haben wir deshalb mit einem umfassenden Maßnahmenpaket im vergangenen Jahr die Schuleingangsphase in Verbindung mit der Schulvorbereitung in der Kindertageseinrichtung sowie der Gestaltung des Anfangsunterrichts neu aufgestellt und in diesem Jahr mit den „Sächsischen Leitlinien für die öffentlich verantwortete Bildung von Kindern bis zum 10. Lebensjahr“ noch einmal festgeschrieben.
Unter dem Grundsatz „Auf den Anfang kommt es an!“ ist die frühkindliche und die Bildung im Primarbereich in der sächsischen Bildungspolitik verankert.
Die weiterführenden Schulen sollen nicht nur eine umfassende Allgemeinbildung vermitteln, sondern zugleich auch auf den Einstieg und die ersten Schritte ins Berufsleben vorbereiten. Die sächsischen Oberschulen bieten mit den Neigungskursen, dem Erlernen der zweiten Fremdsprache und einer in Klassenstufe fünf beginnenden systematischen Berufs- und Studienorientierung hervorragende Bedingungen für die Aufnahme einer Ausbildung. Besonders gute Absolventinnen und Absolventen können nach ihrem Realschulabschluss am Beruflichen Gymnasium – nach insgesamt dreizehn Schuljahren – die Allgemeine Hochschulreife erwerben. Für unsere allgemeinbildenden Gymnasien gilt G8. Das Fortführen der drei Naturwissenschaften und von zwei Fremdsprachen sowie die Belegungspflicht für Deutsch und Mathematik in der Oberstufe sichern eine breite Allgemeinbildung. Ab dem Schuljahr 2017/2018 wird in einem fächerverbindenden Grundkurs eine abgestimmte „Orientierung für den Eintritt in die Berufs- und Arbeitswelt“ angeboten.
Die Zweigliedrigkeit des sächsischen Schulsystems gewährleistet seit der Friedlichen Revolution Kontinuität, Stabilität und Verlässlichkeit, ohne dabei stillzustehen. Bildung und auch Wissen entwickeln sich weiter. Methoden entwickeln sich weiter. Und auch unser Schulsystem entwickelt sich weiter. Aber ohne den Drang ständig revolutioniert und ohne zwischen Strukturdebatten aufgerieben zu werden. Das schafft für die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer und die Familien die Sicherheit, sich ganz auf den Inhalt konzentrieren zu können.
Ein zweiter Grundsatz sächsischer Bildungspolitik lautet: „Jeder zählt!“ Das gilt sowohl für Integration und Inklusion als auch für die individuelle Förderung von leistungsschwachen und leistungsstarken Kindern und Jugendlichen.
Jeder Mensch ist einzigartig. Wir fördern dies, indem wir gezielt die unterschiedlichen Talente und Begabungen unterstützen, dabei aber auch die Leistungsschwächeren nicht vergessen. Über Lerncamps oder das „Produktive Lernen“ sollen diese Schülerinnen und Schüler auf der für sie bestmöglichen Bildungslaufbahn zu dem für sie bestmöglichen Bildungsabschluss geführt werden.
Für die Leistungsstarken gibt es ein differenziertes System der Begabtenförderung, zu dem die 24 sächsischen Gymnasien mit vertiefter Ausbildung sowie das Landesgymnasium St. Afra gehören. Hinzukommen die Beratungsstelle zur Begabtenförderung in Meißen oder die Möglichkeit des Frühstudiums, bspw. an der TU Dresden oder der HTWK Leipzig.
Der Differenzierung und individuellen Förderung liegt die Prämisse zugrunde, Ungleiches auch ungleich zu behandeln. Nicht alle können aufgrund ihrer unterschiedlichen Begabungen dieselben Leistungen erzielen. Für die Schülerinnen und Schüler ebenso wie für Erwachsene im Arbeitsleben oder auf dem zweiten Bildungsweg gilt, dass es Anstrengung und Konzentration braucht, um gute Leistungen zu erzielen. Dem wird Sachsen mit der den Lehrplänen innewohnenden Trias der Vermittlung von Werten, Wissen und Kompetenzen gerecht.
Wer die Schule verlässt, hat das Rüstzeug an die Hand bekommen, sich sicher auf dem weiteren Lebens- und Berufsweg bewegen zu können. Das in der Schule erlangte Wissen ist dafür das Fundament. Die große Bedeutung, die Lesen, Schreiben und Rechnen zukommt, zeigt sich insbesondere dann, wenn wir Menschen kennenlernen, die dies eben nicht können. Ihnen ist die Teilhabe in unserer Gesellschaft verwehrt. Sie haben große Probleme im Arbeitsleben, wenn sie denn arbeiten, und auch im privaten Bereich ist es oft nicht leicht.
Deshalb setzt Sachsen auf eine frühzeitige, ganzheitliche Bildung. Niemand soll verloren gehen. Erfolg und Freude in Schule und Beruf sind ganz wesentlicher Bestandteil einer zufriedenen Persönlichkeit. In der Schule geht es deshalb auch darum, gebildete, selbstständig denkende und mündige Staatsbürger zu formen. Wissen und Bildung dürfen deshalb nicht auf ihren instrumentellen, ihren materiellen Wert begrenzt werden. Wissen und Bildung verbessern die Lebensqualität nicht nur, weil sie sich in barer Münze auszahlen. Wissen und Bildung verbessern die Lebensqualität, weil man zu schätzen weiß, was man hat; weil man Freude findet an geistigen Dingen; weil man von allem nicht nur den Preis kennt, sondern auch seinen Wert.
Brunhild Kurth
Die Autorin war vierzehn Jahre lang als Lehrerin für Biologie und Chemie tätig. Anschließend leitete sie bis 2001 das Gymnasium ihrer Heimatstadt Burgstädt. Bevor sie 2004 in die Sächsische Bildungsagentur wechselte, in der sie verschiedene leitende Funktionen innehatte, war Kurth Referatsleiterin im Sächsischen Staatsministerium für Kultus und Sport. Seit dem 22. März 2012 ist sie Sächsische Staatsministerin für Kultus und seit dem 1. Januar 2015 Präsidentin der Kultusministerkonferenz