Die Schiene ist in der dicht besiedelten Bundesrepublik als Verkehrsträger nicht wegzudenken. Es versteht sich, dass gerade deutsche Unternehmen in der Weiterentwicklung nachhaltiger Bahntechnologien eine führende Position einnehmen.
Deutschland ist ein Eisenbahnland. Hier befindet sich die Heimat der weltweit führenden Technologiebranche für Bahntechnik, deren innovative Entwicklungen auf allen Kontinenten zum Einsatz kommen. Allein in Deutschland arbeiten über 50.000 Beschäftigte an der weiteren technischen Verbesserung von Zügen und der Schieneninfrastruktur, um Schienenverkehr noch sicherer, komfortabler, wirtschaftlicher und ressourcenschonender zu gestalten, so auch mit dem Ziel, bis zum Jahr 2050 einen emissionsneutralen Schienenverkehr zu verwirklichen. Dieses erklärte Vorhaben ist umso wichtiger, da die Europäische Union und die internationale Staatengemeinschaft eine drastische Minderung der Treibhausgasemissionen fordern. Im Vergleich zum Jahr 2008 soll der europäische Verkehrssektor seine Emissionen bis 2030 um 20 Prozent reduzieren. Bis zum Jahr 2050 sollen die Emissionen um 60 Prozent zum Basisjahr 1990 sinken.
Das Ziel, das sich der Eisenbahnsektor in Deutschland vorgenommen hat, ist sogar noch deutlich ehrgeiziger: Bis 2050 sollen Züge und Lokomotiven klimaneutral verkehren. Im zurückliegenden Jahrzehnt wurden dafür bereits wichtige Maßnahmen ergriffen, sodass der Schienenverkehr bereits heute eine beeindruckende Bilanz beim Klimaschutz vorweisen kann: Allein in Deutschland sind die CO2-Emissionen in Bezug auf die Verkehrsleistung sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr um etwa 30 Prozent gesunken. Moderne Elektrotriebzüge verbrauchen bis zu 40 Prozent weniger Energie als ihre Vorgängermodelle. Deutschlandweit fahren innovative Nahverkehrszüge mit hervorragender Umweltbilanz. Das belegen die aktuellen Zahlen des Heidelberger IFEU-Instituts: Der spezifische Energieverbrauch des Schienenpersonenverkehrs ist bezogen auf die Verkehrsleistung nur etwa halb so groß wie im Straßenverkehr, im Schienengüterverkehr sogar fast vier Mal geringer (Abbildung 1). So können durch den Schienenverkehr die CO2-Emissionen deutlich gesenkt werden. Allein ein Güterzug mit einer Fracht von 1.000 t vermeidet auf der rund 1.150 km langen Strecke von Rotterdam nach Genua gegenüber dem Lkw CO2-Emissionen in Höhe von rund 72 t. Und auch im Personenverkehr wird bei der Zugfahrt einer Person von Frankfurt am Main nach Berlin unser Klima weitaus weniger belastet als bei einer Fahrt mit dem Auto, und zwar um etwa 96 kg CO2 bezogen auf die Pro-Kopf-Emission.
Um diesen Umwelt- und Klimavorteil zu halten und weiter auszubauen, investieren die Bahntechnikhersteller am Standort Deutschland jährlich etwa 4 Prozent ihres Umsatzes in auftragsunabhängige Forschung und Entwicklung, also jährlich etwa 450 Millionen Euro. Zu den Ergebnissen dieser Forschungs- und Entwicklungsleistung gehören unter anderem auch zahlreiche Technologien zur Steigerung der Energieeffizienz und Optimierung des Schienenverkehrs:
Leichtbauverfahren ermöglichen bei modernen Elektrotriebzügen Einsparungen im Energieverbrauch des Antriebs von bis zu 30 Prozent. Sie können erreicht werden duch den Einsatz von Verbundwerkstoffen, geeignete Fügetechniken und konstruktive Maßnahmen, die die unproduktive Masse der Fahrzeuge senken und damit zu einem niedrigen Energieverbrauch beim Antrieb führen. Werkstoffe, konstruktive Formgebungsmöglichkeiten und Verbindungsweisen werden detailliert hinsichtlich möglicher Potenziale untersucht. Durch eine leichtere Bauweise konnte beispielsweise beim künftig in Deutschland verkehrenden Intercity-Zug vom Typ „ICx“ von Siemens (Abbildung 2) das Gewicht auf 200 Metern Länge um rund 20 Tonnen reduziert werden.
Fahrerassistenzsysteme sorgen für eine effizientere Fahrweise und damit für Energieeinsparungen von bis zu zehn Prozent. Basierend auf dem Fahrplan, der aktuellen Position und Streckeninformation berechnen Fahrerassistenzsysteme zu jedem Zeitpunkt die energieoptimale Fahrgeschwindigkeit und geben dem Fahrer entsprechende Handlungsempfehlungen. Sie unterstützen den Fahrer dabei, trotz umweltschonender und energieeffizienter Fahrweise pünktlich ans Ziel zu kommen. Weitere Energieeinsparungen entstehen durch den geringeren Instandhaltungsbedarf aufgrund eines geringeren Verschleißes.

Die Mehrmotorenlokomotive „Traxx-DE-ME“ kann je nach Situation wahlweise mit bis zu vier Dieselmotoren betrieben werden. (Abbildung 3)
Zu den weiteren Technologieneuheiten für einen erheblich niedrigen Kraftstoffverbrauch gehören Mehrmotorenlokomotiven. Bei dieser Entwicklung kommen mehrere kleinere Dieselmotoren zum Einsatz, die in Summe ähnlich leistungsfähig sind wie ein Großmotor, jedoch bedarfsorientierter und effizienter betrieben werden können und damit einen Beitrag zu einem geringeren Kraftstoffverbrauch leisten. Bombardier Transporation hat als erster Zughersteller die Mehrmotorentechnologie auf der Basis der Lokomotivenplattform „Traxx“ bei einer Streckenlokomotive umgesetzt. Die ersten Fahrzeuge des Typs „Traxx-DE-ME“ (Abbildung 3) liefert der Schienenfahrzeughersteller im ersten Quartal 2014 aus.
Im Bahneinsatz grundsätzlich nicht neu, aber wirkungsvoll sind Hybride Antriebssysteme. Sie kommen zum Beispiel bei Rangierlokomotiven zum Einsatz und sparen hier gegenüber herkömmlichen Fahrzeugmodellen bis zu 40 Prozent des Kraftstoffs. Darüber hinaus werden die schädlichen Partikel- und Stickoxidemissionen um 60 bzw. 40 Prozent reduziert. Neben den rein ökologischen Vorteilen versprechen diese Systeme mit bis zu 30 Prozent niedrigeren Lebenszykluskosten auch signifikante wirtschaftliche Vorteile. Hybridsysteme stellen eine Kombination aus Dieselmotor und elektrischem Antrieb dar. Während jedoch früher eher der flexible Einsatz im Vordergrund stand, wird heute vermehrt Wert auf das Energieeinsparungspotenzial gelegt. Bei modernen Systemen werden die Akkumulatoren der Lokomotive über ein Bremsenergierückgewinnungssystem aufgeladen. Das Fahrzeug kann anschließend auf kürzeren Distanzen, beispielsweise bei Rangierfahrten, allein elektrisch betrieben werden und dadurch Kraftstoff sparen.
Diese und viele weitere Umweltechnologien in der Bahntechnik werden stetig weiterentwickelt und getestet. Dazu gehört die H3-Rangierlokomotive mit Hybridtechnologie von Alstom Transport (Abbildung 4), die in den nächsten acht Jahren in Nordbayern eine intensive Testreihe durchläuft. Der Einsatz dieser Lokomotiven soll nicht nur die Leistungsfähigkeit und Flexibilität verbessern, sondern gegenüber konventionellen Fahrzeugen auch den Kraftstoffverbrauch halbieren. Durch einen geräuschlosen und abgasfreien Nullemissionsbetrieb eignet sich diese fortschrittliche Loktechnologie auch für den Betrieb in sensiblen Bereichen.
Dieser hochinnovative Lokomotiventyp geht auf eine der jüngsten Entwicklungen der Sektorinitiative „Eco Rail Innovation“, kurz ERI, zurück, eine wegweisende Kooperation von Bahntechnikherstellern, Bahnbetreibern, Energieversorgern und der Wissenschaft. Die Initiative hat sich auf die Fahne geschrieben, die Entwicklung emissionsarmer und energieeffizienter Technologien für den Schienenverkehr nachdrücklich zu fördern. Die Partner erarbeiten auf vorwettbewerblicher Ebene nachhaltige Entwicklungskonzepte, identifizieren Forschungsbedarfe und stoßen Forschungsvorhaben an. Im Mittelpunkt steht die ökologische und wirtschaftliche Betrachtung entlang der gesamten Wertschöpfungskette und über den Lebenszyklus hinweg. Dabei konzentriert sich ERI auf vier zentrale Innovationsfelder: die Steigerung der Energieeffizienz, die Verbesserung der Umwelteffekte, die Umsetzung innovativer Fahrzeugkonzepte sowie die Optimierung des Eisenbahnbetriebs. Leitbild der Initiative, die offen ist für weitere Partner, ist die Umsetzung der gemeinsamen Systemstrategie „Null Emission 2050“ beim rollenden Material und der Schieneninfrastruktur.
Angesichts der großen Herausforderungen, vor denen der Schienenverkehrssektor heute und zukünftig steht, nehmen nachhaltige Konzepte eine zentrale Rolle ein. Moderne und effiziente Bahntechnologien aus Deutschland senken Energiekosten, reduzieren schädliche Treibhausgasemissionen und mindern Lärmbelastungen. Wirtschaftlickeit und Ökologie verwirklichen so dank „German Engineering“ eine zukunftsweisende Symbiose auf der Schiene.
Der Autor wurde 1963 in Berlin geboren und hat an der TU Chemnitz Elektro- und Informationstechnik studiert. Nach verschiedenen Stationen unter anderem bei Bombardier Transportation ist Axel Schuppe seit 2005 Geschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V.