Das Saarland hat auf dem Gebiet der Automobilwirtschaft eine ausgeprägte Standortkompetenz. Nach einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (Köln) ist das viertkleinste Bundesland heute das drittgrößte Automobil-Zuliefererzentrum Deutschlands. Im Zuge des Strukturwandels von Stahl- und Montanindustrie hin zur Automobilindustrie haben sich im Saarland in den letzten 35 Jahren bedeutende Hersteller und Zulieferer angesiedelt. Sie sind zum Motor der saarländischen Wirtschaft geworden. Die Branche verzeichnete zuletzt einen durchschnittlichen Jahresumsatz von zehn Milliarden Euro. Das sind 40 Prozent des gesamten saarländischen Industrieumsatzes. Davon werden rund sechs Milliarden Euro durch Exportgeschäfte erwirtschaftet.
Auch den Hauptanteil für neue Investitionen stellt im Saarland mit durchschnittlich 350 Millionen Euro die Automobilindustrie. Insgesamt hängen heute mehr als 46.000 Beschäftigungsverhältnisse und über 150 Unternehmen an der Saar direkt oder indirekt von der Fahrzeugbranche ab. Das bedeutet, dass im Saarland jeder vierte Industriemitarbeiter im Fahrzeugbau arbeitet. Auch in der Großregion SaarLorLux ist die Automobilbranche der größte Industriesektor. Sie stellt dort zwölf Prozent der Arbeitsplätze, wobei Lothringen als zweitstärkstes Automobilzentrum Frankreichs gemeinsam mit dem Saarland dazu den vorrangigen Beitrag leistet.
Das Produktionsspektrum ist im Saarland weit gefächert. Großunternehmen wie die Ford-Werke in Saarlouis, die Robert Bosch GmbH in Homburg oder die ZF Getriebe GmbH in Saarbrücken haben die Ansiedlung etlicher Zulieferer und Unterlieferanten hervorgerufen und somit unter den saarländischen Erwerbstätigen eine weitreichende Kompetenz in verschiedenen Schlüsselsparten vorangetrieben:
Rund 2.000 Fahrzeuge können im Ford-Werk täglich produziert werden. Nach internationalen Studien der Automobilindustrie gilt das Werk mit seinen flexiblen und schlanken Arbeitsprozessen als Musterwerk innerhalb der europäischen Fahrzeughersteller. Die herausragende Kompetenz in Logistik- und Produktionsprozessen spiegelt sich auch im Zusammenspiel mit dem um das Fordgelände angesiedelten Zuliefererpark wider.
Homburg ist für Bosch ein wichtiger Fertigungsstandort für Hightech-Dieselsysteme sowie Industriehydraulik und hat im weltweiten Entwicklungs- und Fertigungsverbund große Bedeutung. Das Werk produziert Komponenten für die Hochdruck-Einspritzsysteme Common Rail und Unit Pump System. Vor allem Zulieferer von Fertigungsteilen, Prüfständen und Injektorkomponenten beliefern den Standort aus unmittelbarer Nähe.
Auch die Herstellung von ZF-Automatikgetrieben in Saarbrücken hat die Ansiedlung von Zulieferern begünstigt. Sehr stark entwickelt sind dabei die Bereiche Montagelinien- und Sondermaschinenbau sowie Stanztechnik.
Die Herstellung von Abgassystemen wird von der Eberspächer GmbH & Co. KG am Standort Neunkirchen seit Jahrzehnten erfolgreich mit stetiger Verringerung von Schadstoff- und Geräuschemissionen betrieben. Viele kleine und mittelständische Unternehmen haben sich um das Werk platziert und liefern vorwiegend Stanzteile, Presswerkzeuge und Vorrichtungen.
Zugute kommt dem Saarland auch das auf der Industriehistorie basierende Fachwissen zur Stahlherstellung. Der Konzern Saarstahl beliefert vor allem große und mittlere Unternehmen im Land mit Vormaterialien, unter anderem zur Herstellung von Kurbelwellen, Reifendraht und hochfesten Verbindungselementen.
Weitere wichtige Kompetenzen, mit denen größere Konzerne mittelständische und kleine Unternehmen um sich ansiedeln und mit Aufträgen fördern, sind die Herstellung von Motorblöcken aus Eisenguss und Aluminium, Motorenelementen, Fahrzeugdichtungen, Zierleisten, Stoßfängern, Reifen sowie der Karosseriebau von Prototypen wichtiger Automobilhersteller.
Die Vernetzung der kleinen, mittleren und großen Unternehmen übernimmt der Cluster automotive.saarland. In den Bereichen Unternehmenskooperation, Technologietransfer, Qualifizierung, Markterkundung und Standortmarketing werden auf allen Ebenen der Unternehmensfelder Kontakte angebahnt und Synergien gefördert.
Zusammenfassend lässt sich das enorme Potenzial der saarländischen Automobilindustrie unter vielen Aspekten verdeutlichen: Acht Prozent der in Deutschland hergestellten Fahrzeuge kommen aus dem Saarland. Fahrzeuge „Made in Saarland“ fahren auch in Angola, Australien, Jamaika, Japan, Tahiti, Taiwan, Neuseeland und Südafrika. Renommierte Premiumfahrzeuge erhalten bis zu 50 Prozent ihrer Wertschöpfung von im Saarland produzierenden Unternehmen. Diese Vielseitigkeit und Kompetenz macht sich auch die Fraunhofer-Gesellschaft mit der Platzierung des Innovationsclusters Automotive Quality Saar im Saarland zunutze. All das zeigt die ausgezeichnete Ausgangslage für das Saarland, um seine Standortvorteile zu nutzen und das Potenzial seiner Wirtschaftskraft zielgerichtet auszubauen.
Armin Gehl (Jahrgang 1948) hat zunächst beim Saarländischen Rundfunk gearbeitet. Er wirkte später im Bereich Presse/PR für die VSE und BOSCH sowie für das Wirtschaftsministerium (1999–2000). Armin Gehl ist Lehrbeauftragter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW) und seit 2006 Leiter des Clusters automotive.saarland bei der Zentrale für Produktivität und Technologie Saar e.V. (ZPT).